Vom Europäischen Gerichtshof
Kurtaxe als Entgelt
Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) stehen die Entrichtung einer Kurtaxe und die Inanspruchnahme der mit diesen Mitteln bereitgestellten Leistungen nicht in unmittelbarem Zusammenhang. Daher liege insoweit kein Leistungsaustausch vor. Solche Fälle sind aber von anderen Fällen abzugrenzen, in denen (an sich) kostenlose Angebote Besucher anlocken sollen, mit denen der Unternehmer in Hinblick auf andere Leistungen wie etwa Verpflegung oder Souvenirs ins Geschäft kommen möchte.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Gemeinde, war ein staatlich anerkannter heilklimatischer Luftkurort, deren Kurverwaltung kommunalrechtlich als sogenannter Eigenbetrieb geführt wurde und körperschaftsteuerrechtlich ein Betrieb gewerblicher Art war. Sie erhob aufgrund einer Gemeindesatzung eine Kurtaxe zur Deckung ihres Aufwands für die Herstellung und Unterhaltung der zu Kur- und Erholungszwecken bereitgestellten Einrichtungen (wie etwa des Kurparks und des Kurhauses) und für die zu diesem Zweck durchgeführten Veranstaltungen. Diese Einrichtungen waren für jedermann frei zugänglich; eine Kurkarte wurde zum Eintritt nicht benötigt.
Kurtaxepflichtig waren erstens ortsfremde Personen, die sich in der Gemeinde aufhielten und denen die Möglichkeit zur Benutzung der Einrichtungen und zur Teilnahme an den betreffenden Veranstaltungen geboten war, zweitens Einwohner der Gemeinde, die den Schwerpunkt der Lebensbeziehungen in einer anderen Gemeinde hatten, und drittens ortsfremde Personen, die sich aus beruflichen Gründen zur Teilnahme an Tagungen oder sonstigen Veranstaltungen in der Gemeinde aufhielten. Die Kurtaxe wurde nicht von Tagesgästen sowie von Ortsfremden oder Einwohnern erhoben, die in der Gemeinde arbeiteten oder in Ausbildung standen. Für Ortsfremde wurde sie auf einen bestimmten Betrag pro Aufenthaltstag und für kurtaxepflichtige Einwohner auf einen jährlichen Pauschalbetrag festgesetzt, der unabhängig von der Dauer und Häufigkeit sowie der Jahreszeit des Aufenthalts zu entrichten war. Wer Personen gegen Entgelt beherbergte oder ihnen auf bestimmte andere Weise Unterkunft bot, war verpflichtet, diese Personen innerhalb von drei Tagen nach Ankunft bzw. Abreise an- bzw. abzumelden. Daneben waren unter anderem auch Reiseunternehmen meldepflichtig, wenn in dem vom Reiseteilnehmer zu entrichtenden Entgelt auch die Kurtaxe enthalten war.
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens sah die Kurtaxe als Entgelt für eine umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit (den Kurbetrieb) an und verlangte den Abzug der Vorsteuer auf alle mit dem Fremdenverkehr zusammenhängenden Eingangsleistungen. Das Finanzamt ließ den Vorsteuerabzug nur zu, soweit das Kurhaus entgeltlich verpachtet war.
Entscheidung
Nach Auffassung des EuGH lag kein Leistungsaustauschverhältnis vor. Eine Dienstleistung werde nur dann im Sinne der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) „gegen Entgelt“ erbracht, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für eine dem Leistungsempfänger erbrachte bestimmbare Dienstleistung bildet. Dies sei dann der Fall, wenn zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang bestehe.
Es sei aber nicht ersichtlich, dass zwischen einer Gemeinde und den Besuchern ein solches Rechtsverhältnis bestehe. Die von der Gemeinde empfangene Vergütung – die Kurtaxe – beruhe nicht auf der Erbringung einer Dienstleistung, nämlich der Bereitstellung der Kureinrichtungen. Ein unmittelbarer Zusammenhang bestehe, wenn sich zwei Leistungen gegenseitig bedingten, wenn also die eine Leistung nur unter der Voraussetzung erbracht wird, dass auch die andere Leistung erfolgt (und umgekehrt). Die Pflicht zur Zahlung der Kurtaxe bestehe für die Schuldner dieser Taxe aber aufgrund der kommunalen Satzung, die auch die Höhe dieser Taxe festlegt. Vor allem hänge die Pflicht zur Entrichtung der Kurtaxe nicht von der Nutzung der von der Gemeinde bereitgestellten Kureinrichtungen durch die dieser Pflicht unterliegenden Personen ab, sondern vom Aufenthalt im Gemeindegebiet, gleichviel, aus welchem Grunde dieser erfolgt. Außerdem seien die Kureinrichtungen für jedermann, auch für Einwohner oder Tagesgäste, frei und unentgeltlich zugänglich, unabhängig davon, ob die betreffende Person zur Zahlung der Kurtaxe verpflichtet sei oder nicht. Somit hätten die Kurtaxeschuldner keine anderen Vorteile als nicht zur Zahlung der Kurtaxe verpflichtete Personen, die gleichwohl diese Kureinrichtungen benutzten.
Hinweis
Der EuGH wendet im Ergebnis seine bereits 1994 im Urteil „Tolsma“ entwickelten Grundsätze an, in dem er zum Leistungsaustausch bei den Darbietungen eines Straßenmusikanten entschieden hatte. Hier hatte es zwischen dem Musiker und den Passanten keine wie auch immer geartete Vereinbarung gegeben, die Passanten leisteten Spenden nicht aufgrund der musikalischen Darbietung, sondern aus persönlichen Motiven, bei denen gefühlsmäßige Erwägungen eine Rolle spielen konnten. So stand es ihnen frei, der Musik zu lauschen, ohne eine Spende zu entrichten, oder umgekehrt auch, eine Spende zu entrichten, ohne der Musik zu lauschen. Im Fall der Kurtaxe ist die Interessenlage ähnlich, selbst obgleich es Personen gibt, die die Kurtaxe zu entrichten verpflichtet sind.
Allerdings sind solche Fälle von anderen Fällen abzugrenzen, in denen Einrichtungen kostenfrei nutzbar sind, während sich der Unternehmer von ihrer Nutzung Umsätze anderer Art erhofft. Im EuGH-Urteil „Sveda“ war ein Freizeit- und Entdeckungsweg zur baltischen Mythologie kostenfrei nutzbar – der Unternehmer wollte damit Besucher anziehen, um durch den Verkauf von Souvenirs, Verpflegung und Getränken sowie durch Unterhaltungsangebote und Badeeinrichtungen mit ihnen ins Geschäft zu kommen. Der EuGH gewährte hier den Vorsteuerabzug aus den mit der Errichtung des Freizeitwegs verbundenen Aufwendungen. Ähnlich verhielt es sich in einem Fall, über den der Bundesfinanzhof (BFH) zu entscheiden hatte: Nach Auffassung des Gerichts stand die Errichtung einer Hängeseilbrücke in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erzielung von Einnahmen von Parkgebühren (siehe Ausgabe 4 der Umsatzsteuer-News vom April 2022).
Fundstellen
EuGH C-344/22 „Gemeinde A“, Urteil vom 13. Juli 2023; C-16/93 "Tolsma", Urteil vom 3. März 1994; C-126/14 „Sveda“, Urteil vom 22. Oktober 2015;
BFH XI R 10/21, Urteil vom 20. Oktober 2021
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