Aus der Rechtsprechung
Vorsteuerabzug bei Betriebs-veranstaltungen
Der Bundesfinanzhof (BFH) hält auch angesichts der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Hinblick auf Leistungen zum Vorteil eines Dritten sowie jüngerer Gesetzesänderungen im ertragsteuerlichen Bereich daran fest, dass für Betriebsveranstaltungen, bei denen die Aufwendungen pro Teilnehmer die Freigrenze von 110 Euro übersteigen, der Vorsteuerabzug nicht möglich ist. Dabei sind auch die Kosten des äußeren Rahmens in die Berechnung einzubeziehen.
Sachverhalt
Der Kläger, ein Verband in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins, führte für seine Arbeitnehmer aus bestimmten Bereichen eine Weihnachtsfeier durch. Von den eingeladenen Arbeitnehmern meldeten sich 32 zur Feier an, 31 Personen nahmen tatsächlich an ihr teil. Dazu mietete der Kläger für ein Kochevent bei einem Veranstalter ein entsprechendes Kochstudio. Dort bereiteten die Teilnehmer unter Anleitung von zwei Köchen gemeinsam das Abendessen zu, das sie anschließend gemeinsam verzehrten. Mit einer Rechnung wurden dem Kläger für das Kochevent für 32 Personen Aufwendungen für Personal und Miete sowie Getränke in Rechnung gestellt. Der Kläger beantragte den Vorsteuerabzug, weil er der Meinung war, der Vorsteuerabzug aus dieser Rechnung sei auch dann statthaft, wenn (wie hier) die Kosten der Veranstaltung die Freigrenze von 110 Euro je Arbeitnehmer überstiegen.
Entscheidung
Der BFH entschied gegen den Kläger. Für den Vorsteuerabzug müsse grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang des Eingangs- mit einem vorsteuerunschädlichen Ausgangsumsatz bestehen. Bestehe ein solcher Zusammenhang jedoch nicht mit der wirtschaftlichen Tätigkeit, sondern ausschließlich und unmittelbar zu einer unentgeltlichen Entnahme, bestehe keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug. Das wiederum gelte nicht, wenn die Entnahmebesteuerung unterbleibe, weil sogenannte Aufmerksamkeiten vorliegen (§ 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG): Dann fehle es an einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit einem konkreten Ausgangsumsatz, sodass über den Vorsteuerabzug nach der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Unternehmers zu entscheiden sei.
Daran ändere auch das EuGH-Urteil in der Rechtssache „Mitteldeutsche Hartstein“ nichts. In diesem Urteil hatte der EuGH den Vorsteuerabzug eines Steinbruchunternehmers zugelassen, der auf seine Kosten eine gemeindliche Zufahrtsstraße zu seinem Steinbruch ertüchtigt hatte, um diesen Steinbruch betreiben zu können, obwohl die von ihm getätigten Werklieferungen der Gemeinde zugutekamen. Der BFH stellte klar, dass nach den Grundsätzen dieses Urteils keine Entnahme vorliege, sofern die Eingangsleistungen „vor allem für die Bedürfnisse des Steuerpflichtigen genutzt“ würden. Diene demgegenüber eine Betriebsveranstaltung (wie offenbar hier) lediglich dazu, das Betriebsklima durch gemeinsame Freizeitgestaltung zu verbessern, so liege ein ausschließlicher Zusammenhang der für den Betriebsausflug bezogenen Leistungen zum privaten Bedarf des Personals und damit zu einer Entnahme vor, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtige − es sei denn, es handle sich um eine Aufmerksamkeit.
Der Sachverhalt war nach Meinung des BFH nicht mit dem Sachverhalt im EuGH-Urteil „Danfoss und AstraZeneca“ gleichzusetzen. Dort war es um die unentgeltliche Abgabe von Speisen anlässlich und während eines außergewöhnlichen Arbeitseinsatzes (etwa während einer außergewöhnlichen betrieblichen Besprechung oder Sitzung) gegangen. In diesem Fall galt laut EuGH die unentgeltliche Abgabe einer Mahlzeit als überwiegend betrieblich motiviert, weil der Arbeitnehmer an einer Arbeitssitzung teilnehmen musste und diese nicht durch eine privat veranlasste Mahlzeit unterbrochen werden sollte. Dabei habe der Unternehmer den Ort, die Uhrzeit und die Art der Mahlzeit bestimmt, sodass die private Bedürfnisbefriedigung des Arbeitnehmers deutlich im Hintergrund und das unternehmerische Motiv nach ungestörter Fortsetzung der Sitzung ohne allzu große Zeitverluste im Vordergrund stand. Im vorliegenden Fall gehe es aber um die Abgabe von Speisen und Getränken im außerunternehmerischen Bereich und nicht während der Dienstzeit. Die besondere Qualität der Speisen und Getränke habe einen eigenständigen Charakter, sodass die Zuwendung an die Arbeitnehmer nicht bloß als Reflex des überwiegenden betrieblichen Eigeninteresses und damit „nebensächlich“ erscheine. Dies gelte auch für das Kochevent als solches.
Es habe sich auch nicht um Aufmerksamkeiten gehandelt. Bislang habe sich der BFH zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsanwendung für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Aufmerksamkeiten am Lohnsteuerrecht orientiert: Zuwendungen, die auf Arbeitnehmerseite keinen Lohn darstellten, sollten auf Arbeitgeberseite nicht als Entnahme an sein Personal umsatzsteuerbar sein. Zwar sei es hier zu Beginn des Jahres 2015 im einkommensteuerrechtlichen Bereich zu einer gesetzlichen Neuregelung gekommen: Zum einen sei anstelle der bisherigen Freigrenze ein Freibetrag eingeführt worden, zum anderen sei geregelt worden, dass bei der Ermittlung des Freibetrags auch die Aufwendungen für den „äußeren Rahmen der Betriebsveranstaltung“ zu berücksichtigen seien.
Für die Umsatzsteuer hielt der BFH aber an den bisherigen 110 Euro als Freigrenze fest, unter anderem, weil bereits der Wortlaut des § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG eine Freigrenze nahelege. Soweit der Kläger unter Hinweis auf frühere Rechtsprechung davon ausgegangen sei, dass die Kosten des äußeren Rahmens bei der Berechnung der 110-Euro-Grenze außer Betracht bleiben müssten, stehe die umsatzsteuerrechtlich vorrangige Bewertung der Betriebsveranstaltung als eine einheitliche Leistung einer Abspaltung von Kosten des äußeren Rahmens entgegen. Das Kochevent stellte ein marktfähiges Gesamtpaket dar, das vom Zusammenspiel der besonderen Örtlichkeit in gehobenem Ambiente und vom gemeinsamen Zubereiten und Verzehren von Speisen und Getränken geprägt war. Das Herauslösen einzelner Bestandteile (wie der Raumkosten) aus dieser einheitlichen (auch einheitlich abgerechneten) Leistung führe daher zu einer künstlichen Aufspaltung.
Der BFH lehnte es auch ab, in Hinblick auf den nicht erschienenen Arbeitnehmer den Vorsteuerabzug zu gewähren. Denn die Gesamtkosten des Arbeitgebers seien zu gleichen Teilen auf die bei der Betriebsveranstaltung anwesenden Teilnehmer aufzuteilen, nicht auf die angemeldeten Teilnehmer. Auf den im Streitfall nicht teilnehmenden Arbeitnehmer hätten danach keinerlei Aufwendungen entfallen, für die ein Vorsteuerabzug in Betracht kommen könnte.
Hinweis
Im Ergebnis hat der BFH seine bisherige Rechtsprechung bekräftigt: Seine Position entspricht einer Entscheidung, zu der er bereits im Jahr 2010 (für einen Betriebsausflug) gekommen war. Der vorliegende Fall ist, wie der BFH ausdrücklich ausführt, weder der Verpflegung bei außergewöhnlichem Arbeitseinsatz noch mit anderen Fällen gleichzusetzen, in denen ein vorrangiges Unternehmerinteresse eine Entnahmebesteuerung ausschließt – namentlich (unter besonderen Umständen) die Sammelbeförderung für Arbeitnehmer sowie Umzugskosten zur Umsiedlung erfahrener Mitarbeiter des Konzerns für den Aufbau eines Konzerndienstleisters (vgl. dazu auch Abschnitt 1.8 Abs. 4 UStAE).
Auch das Urteil des EuGH in der Rechtssache „GE Aircraft Engine Services“, auf das der BFH in seiner Entscheidung nicht eingeht, dürfte keine andere Bewertung erlauben: Im Sachverhalt dieses Urteils ging es um im Rahmen eines Motivationsprogramm als Anerkennung und Belohnung abgegebene Einkaufsgutscheine. Hier war der EuGH zur Auffassung gelangt, dass die Gutscheine nicht nach Maßgabe des privaten Bedarfs der Mitarbeiter ausgegeben wurden: Das Unternehmen habe einen Vorteil in Form der Aussicht auf eine Umsatzsteigerung infolge größerer Motivation und gesteigerter Leistung der Mitarbeiter erhalten, sodass der persönliche Vorteil der Mitarbeiter gegenüber den Bedürfnissen des Unternehmens aus untergeordnet erscheine. Zwar ist auch der BFH in seinem Urteil der Auffassung, dass Teambuilding-Veranstaltungen „allgemein dafür bekannt [seien], dass sie die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Mitarbeiter in der jeweiligen Abteilung und zwischen den verschiedenen Abteilungen verbessern können und sollen“. Diese Verbesserung der Leistungsbereitschaft ist aber offenbar nicht so ausgeprägt, dass der private Bedarf der Arbeitnehmer in den Hintergrund tritt. Es ließe sich hinzufügen, dass die Steigerung der Motivation der Mitarbeiter weder der einzige noch überhaupt der im Vordergrund stehende Zweck einer Weihnachtsfeier sein dürfte – die zudem normalerweise nicht lediglich einigen besonders verdienten Mitarbeitern offensteht, sondern im Prinzip allen Mitarbeitern (zumindest, wie hier, bestimmter Abteilungen).
Fundstellen
BFH V R 16/21, Urteil vom 10. Mai 2023; V R 17/10, Urteil vom 9. Dezember 2010
EuGH C-528/19 „Mitteldeutsche Hartstein“, Urteil vom 16. September 2020; C-371/07 „Danfoss und AstraZeneca“, Urteil vom 11. Dezember 2008; C-607/20 „GE Aircraft Engine Services“, Urteil vom 17. November 2022
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