Aus der Rechtsprechung
Vorsteuerabzug einer geschäfts-leitenden Holding
Der Bundesfinanzhof (BFH) schließt sich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) an: Der Vorsteuerabzug aus Leistungen, die als Sacheinlagen nicht mit eigenen Umsätzen, sondern mit den Umsätzen eines Dritten zusammenhängen, ist im Allgemeinen nicht möglich. Allerdings gibt es eine Reihe von Ausnahmen.
Sachverhalt
Die Klägerin war in der Baubranche tätig. Ihre Tätigkeit bestand im Ankauf, der Verwaltung und der Verwertung von eigenem Grundbesitz sowie der Projektierung, Sanierung und Erstellung von Bauvorhaben aller Art. Sie war an X und Y beteiligt, zwei GmbH & Co. KGs, die Bauobjekte errichteten und diese dann überwiegend umsatzsteuerfrei veräußerten. Eine umsatzsteuerliche Organschaft bestand nicht. Was X betraf, so hielt die Klägerin als Kommanditistin 94 Prozent, ein Dritter (ebenfalls als Kommanditist) die restlichen sechs Prozent. Beide – die Klägerin und der Dritte – vereinbarten, an X Gesellschafterbeiträge zu leisten: Der Dritte sollte eine bestimmte Geldsumme zahlen, wogegen X in beträchtlichem Ausmaß näher bestimmte unentgeltliche Dienstleistungen (Architektenleistungen, Planungen etc.) für zwei von X zu errichtende Objekte erbringen sollte, die die Klägerin teils mit eigenen Mitteln, teils mit extern eingekauften Leistungen erbrachte. Eine weitere Vereinbarung zwischen der Klägerin und X sah vor, dass die Klägerin über die mit dem Dritten getroffene Vereinbarung hinaus X zudem entgeltliche Buchführungs- und Geschäftsführungsleistungen im Zusammenhang mit der Errichtung der beiden Objekte erbringen sollte. Ähnliche Vereinbarungen traf die Klägerin auch für Y mit deren Minderheitsgesellschafter sowie mit Y selbst. Die Klägerin nahm den vollen Vorsteuerabzug auf alle in Rede stehenden Eingangsleistungen vor. Das Finanzamt war damit nicht einverstanden.
Entscheidung
Gestützt auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache C-98/21 „Finanzamt R“ (siehe Ausgabe 10 der Umsatzsteuer-News vom Oktober 2022) wies der BFH die Klage ab. Zwar sei die Klägerin Unternehmerin gewesen, weil sie (mit Geschäftsführungs- und Buchführungsleistungen) entgeltlich in die Verwaltung ihrer Töchter eingegriffen habe. Die Eingangsleistungen seien aber nicht für ihr Unternehmen ausgeführt worden: Die Erbringung von Sachleistungen als Gesellschafterbeitrag sei kein Teil der unternehmerischen Tätigkeit der Klägerin. Denn die Eingangsleistungen der Klägerin stünden weder in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen der Klägerin, noch gehörten sie zu den allgemeinen Aufwendungen der Klägerin (und seien als solche Kostenelemente der von ihr erbrachten Dienstleistungen). Sie stünden vielmehr in direktem und unmittelbarem Zusammenhang zu den überwiegend steuerfreien Umsätzen der Tochtergesellschaften.
Ein Zusammenhang der Eingangsumsätze der Klägerin mit eigenen Ausgangsumsätzen oder der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit der Klägerin, der ihr den Vorsteuerabzug eröffnet haben könnte, war nach Meinung des BFH aus mehreren Gründen nicht gegeben. Erstens hätten die bezogenen Eingangsleistungen nicht in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit den eigenen Umsätzen der Holdinggesellschaft, sondern zum einen mit von ihr als Gesellschafterleistung geschuldeten unentgeltlichen Leistungen (was zum Halten der Anteile gehöre), zum anderen mit den weitgehend steuerfreien Tätigkeiten der Tochtergesellschaften gestanden: Sie hätten vorrangig der Erstellung der Objekte gedient, die X und Y zu errichten hatten. Ausgaben, die nicht mit den besteuerten Umsätzen des Steuerpflichtigen, sondern mit Umsätzen eines Dritten zusammenhängen, könnten für diesen Steuerpflichtigen kein Recht auf Vorsteuerabzug begründen, und zwar unabhängig davon, ob die Umsätze des Dritten steuerfrei seien oder nicht. Zweitens hätten diese Eingangsleistungen in den Preis der an die Tochtergesellschaften erbrachten steuerpflichtigen Umsätze (Geschäftsführungs- und Buchhaltungsleistungen) keinen Eingang gefunden. Drittens hätten die Eingangsleistungen auch nicht zu den allgemeinen Kostenelementen der eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit der Holdinggesellschaft gehört.
Hinweis
Der BFH übernimmt die Rechtsprechung des EuGH. Dabei behandelt er explizit eine Rechtsfrage, die sich aus dem Urteil des EuGH nur implizit ergeben hatte: Wenn Ausgaben mit Umsätzen eines Dritten (statt mit den eigenen Umsätzen) zusammenhängen, wird der Vorsteuerabzug versagt, ohne dass es darauf ankommt, ob die Umsätze des Dritten steuerfrei seien oder nicht. Damit spielt der Umstand, dass die Töchter (teilweise) steuerfreie Leistungen erbracht hatten, keine Rolle.
Allerdings sollte das Urteil nicht schematisch angewendet werden: Es dürfte nicht so zu verstehen sein, dass Sacheinlagen einer Holding unter keinen Umständen aus (eigenen) unternehmerischen Gründen erfolgen können. Sacheinlagen könnten auch dann anders zu beurteilen sein, wenn die Gesellschaft im Gegenzug Anteile ausgibt. So soll die Einbringung von Wirtschaftsgütern eines Einzelunternehmens in eine Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen steuerbar sein - der Eintritt eines Gesellschafters soll bei der Gesellschaft durch die Gewährung der Gesellschaftsanteile gegenüber dem Neugesellschafter nicht zu steuerbaren Umsätzen führen (vgl. Abschnitt 1.6 Abs. 2 UStAE). Außerdem können Fälle der Einbringung ganzer Unternehmen oder eines gesondert geführten Betriebs anders zu beurteilen sein (vgl. § 1 Abs. 1a UStG).
Fundstellen:
BFH XI R 24/22 (XI R 22/18), Urteil vom 15. Februar 2023;
EuGH C-98/21 „W-GmbH“, am EuGH geführt als „Finanzamt R“, Urteil vom 8. September 2022
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