Aus der Rechtsprechung
Umsatzsteuer und Bruchteils-gemeinschaft
Der Bundesfinanzhof (BFH) bleibt dabei, dass eine Bruchteilsgemeinschaft keine Unternehmerin sein kann, und deutet an, dass auch eine zum 1. Januar 2023 erfolgte Ergänzung des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ihn nicht von dieser Auffassung abzubringen vermag.
Sachverhalt
Der Kläger vermietete ein Grundstück mit aufstehendem Hotel steuerpflichtig an seinen Sohn, der dort ein Hotel mit Restaurant betrieb. Später übertrug er das Miteigentum am Grundstück hälftig auf seine Ehefrau. Einige Monate später übertrugen beide das Grundstück auf den Sohn, wobei sie nicht zur Steuerpflicht der Grundstücksübertragung optierten. Das Finanzamt ging davon aus, dass eine steuerfreie Grundstückslieferung beim Kläger zu einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG führte – seiner Auffassung nach handelte es sich nicht um eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen (GiG).
Entscheidung
Der BFH gab der Nichtzulassungsbeschwerde statt, die sich auf den formellen Grund gerichtet hatte, dass das Urteil des Finanzgerichts (FG) die für seine Entscheidung maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen nicht erkennen ließ. Denn aus dem Urteil des FG ging nicht hervor, ob sich der Vorsteuerberichtigungsanspruch gegen den Kläger oder gegen eine Bruchteilsgemeinschaft richtete, die aus dem Kläger und seiner Ehefrau bestand (eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts schloss der BFH aus).
Was in diesem Zusammenhang die materielle Rechtslage anging, so habe der BFH früher Bruchteilsgemeinschaften als Unternehmer angesehen. Auf dieser Basis habe er gelegentlich entschieden, dass eine nicht steuerbare GiG (§ 1 Abs. 1a UStG) vorliege, wenn ein Vermietungsunternehmer das Eigentum an einem umsatzsteuerpflichtig vermieteten Grundstück zur Hälfte auf seinen Ehegatten überträgt. Die durch Übertragung des Miteigentumsanteils entstandene Bruchteilsgemeinschaft, die Begünstigte der Übertragung sei, trete nach dieser Auffassung mit ihrer Entstehung zivilrechtlich in einen bestehenden Mietvertrag ein, die das Vermietungsunternehmen des bisherigen Alleineigentümers fortführt. Dieser Vorgang löse beim Vermietungsunternehmer keine Vorsteuerkorrektur gemäß § 15a UStG aus.
Diese Rechtsprechung habe der BFH später aber aufgegeben. Nun sei er der Auffassung, eine Bruchteilsgemeinschaft könne keine entgeltlichen Leistungen erbringen und darum auch keine Unternehmerin sein. Stattdessen sei von einer anteiligen Leistungserbringung durch die Miteigentümer auszugehen. Daran halte er fest.
Denn laut Europäischem Gerichtshof (EuGH) sei für die Frage, wer eine entgeltliche Leistung erbracht hat, zu ermitteln, wer die wirtschaftliche Tätigkeit selbstständig ausgeübt hat. Dies richte sich danach, wer „eine wirtschaftliche Tätigkeit im eigenen Namen, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung ausübt und ob er das mit der Ausübung dieser Tätigkeit einhergehende wirtschaftliche Risiko trägt“. Das sei nicht die Bruchteilsgemeinschaft, die, anders als ihre Teilhaber, zu alledem nicht in der Lage sei. Die jüngst zum 1. Januar 2023 erfolgte Ergänzung des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG um einen Halbsatz (wonach Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, „unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist“; vgl. Ausgabe 01 der Umsatzsteuer-News vom Januar 2023) führe bei richtlinienkonformer Auslegung zu keinem anderen Ergebnis. Weil diese Änderung nicht bereits für das Streitjahr 2015 in Kraft getreten sei, habe er, der BFH, hier nicht zu entscheiden, ob eine Bruchteilsgemeinschaft aufgrund dieser Neuregelung dessen ungeachtet als Unternehmer Leistungen erbringt.
Im Streitfall komme ein Vorsteuerberichtigungsanspruch gegen den Kläger nur infrage, wenn dieser umsatzsteuerrechtlich (entsprechend der zivilrechtlichen Beurteilung) aufgrund der geänderten BFH-Rechtsprechung auch im Streitjahr neben seiner Ehefrau Vermieter des Hotelgrundstücks war. Nach früherer Rechtslage hätte sich der Anspruch nach § 15a UStG jedoch gegen die Bruchteilsgemeinschaft, nicht aber gegen den Kläger gerichtet. Ob im Streitfall die frühere oder die neue BFH-Rechtsprechung der Besteuerung zugrunde zu legen sei, bestimme sich insbesondere nach den Vertrauensschutzregelungen des § 176 AO. Sollte ein Vertrauensschutz nach dieser Vorschrift nicht greifen, sei zu beachten, dass auch die Einräumung des Miteigentumsanteils an die Ehefrau als GiG anzusehen sein könne, was sich auf den Umfang der gegen den Kläger gerichteten Berichtigungspflicht auswirken würde.
Hinweis
Der V. Senat scheint auch die zum 1. Januar 2023 in das UStG eingeschriebene Rechtslage zur Unternehmereigenschaft der Bruchteilsgemeinschaften als unionsrechtswidrig anzusehen und auf seiner Auffassung zu beharren, wonach durch diese Gemeinschaften „hindurchgesehen“ wird und (nur) die dahinterstehenden Gemeinschafter als Unternehmer in Frage kommen.
Der Gesetzgeber hatte dies zu vermeiden gesucht: Denn dies führe (wie der Finanzausschuss seinerzeit anmerkte) zu einer Anzahl von Praxisproblemen wie etwa Rechnungsformalitäten, der Frage der Vorsteuerberechtigung und einer starken Zunahme der Kleinunternehmer. Außerdem war kritisiert worden, dass der V. Senat – der auch im vorliegenden Fall wieder tätig wurde – von der Rechtsprechung des XI. Senats abgewichen sei, ohne dass der XI. Senat des Bundesfinanzhofs auf Anfrage seine Rechtsprechung aufgegeben habe und ohne den großen Senat des Bundesfinanzhofs angerufen zu haben. Es sei daher unklar, ob der XI. Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält.
Daran hat sich mangels einer neueren Entscheidung des XI. Senats bis heute nichts geändert. Ob dieser Senat sich der Auffassung des V. Senats anschließen würde, ist nicht gesichert. Wann der XI. Senat sich zu der Frage äußern kann, ist offen. Dem V. Senat liegt derweil ein Verfahren vor, in dem er über die Frage zu befinden hat, ob unselbstständige (nicht rechtsfähige) Stiftungen, die zivilrechtlich nur durch ihren Rechtsträger handeln können, in umsatzsteuerlicher Hinsicht Leistungsempfänger im Rahmen von Leistungsaustauschverhältnissen mit ihrem Rechtsträger sein können.
Fundstellen
BFH V B 44/22, Beschluss vom 28. August 2023;
anhängiges Verfahren V R 13/22, vorgängig FG Münster 5 K 1753/20 U, Urteil vom 5. Mai 2022;
Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Gesetzentwurf eines Jahressteuergesetzes 2022 (JStG 2022), BT-Drs. 20/4729, vom 30. November 2022
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