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Krisengefahr in der Baubranche: Notbremse durch Bauvertragskündigung?
Gerät ein Bauunternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten, kann das erhebliche Auswirkungen auf ein Bauvorhaben haben. Für den Bauherrn besteht ein möglicher Ausweg darin, die Kündigung des Bauvertrags in Betracht zu ziehen.
Krise in der Bau- und Immobilienwirtschaft
Nach einem jahrelangen Bergauf hat die Stimmung in der Immobilienbranche in letzter Zeit immer wieder deutliche Dämpfer erfahren. Die aktuell sehr hohen Baukosten und die deutlich gestiegenen Zinsen bringen zahlreiche Probleme mit sich. Nicht nur der Rückgang von Immobilientransaktionen, sondern auch die Zunahme wirtschaftlicher Engpässe bei Immobilienunternehmen zeigt, dass nicht alle Betroffenen diesen Herausforderungen gewachsen sind.
Ob die Probleme der Immobilienbranche ungebremst auch auf die Baubranche durchschlagen werden, ist nicht gewiss. Angesichts des bei den Bauunternehmen bereits zu verzeichnenden Auftragsrückgangs ist jedoch abzusehen, dass auch dem Baugewerbe schwierigere Zeiten bevorstehen könnten – auch mit Folgen für Auftraggeber. Denn: Gerät ein Bauunternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten, ist es häufig nicht mehr in der Lage, seine Mitarbeiter:innen und Nachunternehmer zu bezahlen. Bauverzögerungen lassen dann oft nicht lange auf sich warten und führen vor allem bei gewerblichen Bauvorhaben zu nicht unerheblichen Schäden.
Bauherren sollten daher auch nach Vertragsschluss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihres Vertragspartners im Auge behalten, um rechtzeitig prüfen zu können, wie sich eine etwaige auch für sie ungünstige Situation auflösen lässt. Eine Möglichkeit kann darin bestehen, dem Bauunternehmen als „Notbremse“ den Bauvertrag zu kündigen.
VOB/B-Bauverträge
Ist im Bauvertrag die Einbeziehung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil B (VOB/B) vereinbart, ergeben sich passende Kündigungsmöglichkeiten in dieser Situation oft aus § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B. Dieser sieht vor, dass der Bauherr als Auftraggeber den Vertrag aus wichtigem Grund kündigen kann und offene Leistungen nicht mehr vergüten muss, wenn der Auftragnehmer seine Zahlungen einstellt (Fall 1), von ihm – oder zulässigerweise vom Auftraggeber oder einem anderen Gläubiger – das Insolvenzverfahren beantragt ist (Fall 2), ein solches Verfahren eröffnet wird (Fall 3) oder die Eröffnung mangels Masse abgelehnt wird (Fall 4).
Zu beachten ist allerdings, dass bisher nicht höchstrichterlich geklärt ist, ob das in § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 3 VOB/B geregelte Kündigungsrecht trotz (möglicher) Kollisionen mit insolvenzrechtlichen Grundsätzen überhaupt wirksam ist. Teilweise wird zwar vertreten, das Kündigungsrecht sei aus den gleichen Gründen wirksam, aus denen der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil aus dem Jahr 2016 auch das Kündigungsrecht nach Fall 2 für wirksam erklärt hat. Gleichzeitig gibt es aber auch Stimmen, die in dem Kündigungsrecht nach Fall 3 eine Verletzung des Erfüllungswahlrechts des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO sehen und es daher für unwirksam halten. Bis zu einer endgültigen Entscheidung hierüber bleibt ein gewisses Risiko, dass sich eine auf Fall 3 gestützte Kündigung im Nachhinein als unwirksam erweist. Im ungünstigsten Fall hätte das zur Folge, dass die Kündigung als freie Kündigung ausgelegt werden könnte und vom Bauherrn daher für offene Leistungen trotz Beendigung des Vertrags die vereinbarte Vergütung (abzüglich ersparter Aufwendungen) zu entrichten wäre.
Gleiches gilt im Übrigen für das Kündigungsrecht bei Insolvenzantragstellung durch einen anderen Gläubiger (Unterfall zu Fall 2); auch dessen Wirksamkeit ist nicht abschließend geklärt.
BGB-Verträge
Ist die VOB/B nicht in den Vertrag einbezogen, kann § 648a BGB dem Bauherrn ein in den Rechtsfolgen vergleichbares Kündigungsrecht geben. Dieses setzt voraus, dass dem Bauherrn als Auftraggeber das weitere Festhalten am Bauvertrag unzumutbar ist. Fallgruppen entsprechend § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B regelt § 648a BGB allerdings nicht. Die Gesetzesbegründung zu § 648a BGB erläutert zwar, dass zumindest bei Insolvenz häufig eine Unzumutbarkeit gegeben sei. Ob eine Unzumutbarkeit tatsächlich vorliegt und eine Kündigung wirksam wäre, ist bei Anwendung des § 648a BGB aber auch in diesen Fällen für jeden Einzelfall gesondert zu bewerten, vor allem, wenn noch nicht von einer Insolvenz die Rede ist.
Fazit
Möglichkeiten, sich bei finanziellen Schwierigkeiten und vor allem bei Insolvenz eines Bauunternehmens vom Bauvertrag zu lösen, können demnach auch ohne entsprechende Regelung im Bauvertrag bestehen. Die Frage nach einer Kündigung sollte der Bauherr allerdings sorgfältig abwägen und seine Entscheidung nicht allein davon abhängig machen, ob die Voraussetzungen hierfür gegeben sind. Bestehen gute Chancen, dass der Bauunternehmer trotz seiner Probleme leistungsfähig bleibt, kann der vorzugswürdige Weg auch in einer Fortsetzung des Vertrags liegen.

Julian Gruß, RA ist Manager im Immobilienrechtsteam von PwC Legal am Standort Düsseldorf. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt im Bau- und Architektenrecht.
Der Green Lease – Ein Update
Die Weiterentwicklung der Regulatorik und die breite Nachhaltigkeitsdiskussion haben den Leitfaden „Green Lease – Der grüne Mietvertrag für Deutschland“ in Teilen zuletzt etwas angestaubt erscheinen lassen und machen eine Überarbeitung des Leitfadens nach nur fünf Jahren nötig. Ein Update ist in Arbeit.
Green Lease
Unter Federführung des Zentralen Immobilien Ausschusses e. V. Berlin (ZIA) hatten es sich Expert:innen der Immobilienwirtschaft schon vor fast zehn Jahren zur Aufgabe gemacht, an der Ausgestaltung von Klimaschutz, Energiewende und Nachhaltigkeit in der Immobilienbranche mitzuwirken. Als Weiterentwicklung der ursprünglich bestehenden Handlungsempfehlungen waren daraus die Regelungsempfehlungen in Green Lease – Der grüne Mietvertrag für Deutschland von September 2018 entstanden. Ihr Ziel war es, Vermieter:innen und Mieter:innen im Bereich der Immobilienwirtschaft „ein praxisnahes Instrumentarium von ‚grünen‘ Mietvertragsklauseln an die Hand [zu geben]“1. Soweit in Mietverträgen – wie seit einiger Zeit verstärkt zu beobachten – Nachhaltigkeitsregelungen enthalten sind, sind diese regelmäßig an diesen Green Lease mindestens angelehnt und stellen in einigen Fällen auch eine Weiterentwicklung dar.
Green Lease 2.0
Es ist an der Zeit, den Regelungsempfehlungen des ZIA ein Update zu geben, hin zu einem „Green Lease 2.0“. Seit Veröffentlichung der ersten Regelungsempfehlungen haben sich die Rahmenbedingungen verändert. So hat sich die Regulatorik insbesondere mit der EU-Offenlegungsverordnung (Verordnung [EU] Nr. 2019/2088) von November 2019, der EU-Taxonomieverordnung (Verordnung (EU) 2020/852) von Juni 2020 sowie dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) aus dem Jahr 2020 und dem Gesetz zur Aufteilung von Kohlendioxidkosten (CO2KostAufG) von Dezember 2022 weiterentwickelt. Ferner haben Nachhaltigkeitsthemen wie Errichtungspflichten von Photovoltaikanlagen ihren Niederschlag in gesetzlichen Regelungen gefunden oder sind, wie im Fall von E-Mobilität zum Beispiel durch E-Scooter, präsenter geworden. Andere Regelungen des Green Lease haben sich als in der Praxis regelmäßig nicht umsetzbar erwiesen, etwa die Regelungsempfehlungen zum Nachhaltigkeitsausschuss, zur Ermittlung von CO2-Emissionen, zur Verwendung bestimmter Baumaterialien und Putzmitteln, zum Umgang mit Abfall, zur Errichtung von Fahrradstellplätzen oder zur Aufnahme von Vertragsstrafregelungen.
Ausblick
Ein Update des Green Lease – zumal, wenn er vielfach nicht nur als Orientierungshilfe verstanden wird – ist unseres Erachtens nach sinnvoll und notwendig. Unsere Ideen zur Überarbeitung und Neuausrichtung des Green Lease haben wir beim ZIA in den Austausch von Anregungen und Gedanken eingebracht. Wie umfangreich ein Update den bisherigen Leitfaden verändern wird und ob die Änderungen praxistauglich sind oder vielleicht sogar zum Greenwashing von Mietverträgen einladen könnten, wird sich zeigen. Diese und weitere Punkte rund um das Thema Green Lease 2.0 werden wir gemeinsam mit unserem Kollegen Dr. Tobias Nuss, in unserem für Quartsl vier geplanten Webcast besprechen.

Ansgar Messow, RA ist Senior Manager im Bereich Real Estate bei PwC Legal in Düsseldorf.
[1] ZIA, Green Lease – Der grüne Mietvertrag für Deutschland, 2018, S. 6.

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