Private WhatsApp-Gruppenchats sind kein rechtsfreier Raum
In dem Urteil vom 24.08.2023 (2 AZR 17/23) hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu entscheiden, inwieweit eine unangemessene Kommunikation in privaten Chatgruppen unter Mitarbeitenden vertraulich ist oder zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen auf auf Seite des Arbeitgebenden führen kann. Eine Antwort im Sinne von „null oder eins“ hat das BAG nicht gegeben. Vielmehr hat es verschiedene Kriterien herausgearbeitet, wann vermeintlich Privates wirklich privat ist und wann nicht. Damit hat das Urteil weitreichende Folgen für die Kommunikation am Arbeitsplatz sowie in der Freizeit und für den vermeintlich privaten Umgang mit digitalen Medien.
Sachverhalt
Der gekündigte Arbeitnehmer gehörte einer privaten Chatgruppe mit fünf weiteren Mitarbeitenden sowie einem ehemaligen Kollegen an. Die Mitglieder der Gruppe waren langjährig befreundet, zwei miteinander verwandt. Neben rein privaten Nachrichten zogen die Gruppenmitglieder einhergehend mit einem Arbeitsplatzkonflikt in beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise über Vorgesetzte und Kollegen:innen her. Die Arbeitgeberin erfuhr zufällig von den beleidigenden Äußerungen und sprach fristlose Kündigungen aus. Dagegen erhob der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage. Beide Vorinstanzen gaben dem Arbeitnehmer Recht.
Von Dr. Nicole Elert und Fabienne Richarz
Equal Pay ist keine Verhandlungssache
Durch das Grundsatzurteil vom 16.02.2023 (Az. 8 AZR 450/21) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt, dass die gleiche Bezahlung keine reine Verhandlungssache mehr ist. Nun liegen die Urteilsgründe vor und das BAG wird konkret, welche Grundsätze Arbeitgebende für die Beurteilung gleicher bzw. gleichwertiger Arbeit einhalten müssen und welche Kriterien eine Unterscheidung bei der Vergütung rechtfertigen können. Für Unternehmen bedeutet dies, dass selbst einzelne Vergütungen in einem Gesamtkontext zu sehen sind, um Rechtsstreitigkeiten wegen Geschlechterdiskriminierungen zu vermeiden.
Sachverhalt
Die Arbeitnehmerin nahm nahezu gleichzeitig mit einem männlichen Kollegen die Arbeit bei dem beklagten Unternehmen auf. Beide wurden als Außendienstmitarbeitende eingestellt. Beiden wurde das gleiche Gehalt angeboten, allerdings hatte der männliche Kollege bei Vertragsschließung verhandelt, dass sein Gehalt automatisch innerhalb von wenigen Monaten um mehr als 600 Euro brutto angehoben wird. Bei der Arbeitnehmerin erfolgte die Erhöhung nicht. Im Gerichtsverfahren begründete das Unternehmen die einhergehende Differenz des Gehaltes damit, dass der männliche Arbeitnehmer die Position einer ausgeschiedenen, besser vergüteten Vertriebsmitarbeiterin übernommen habe. Das BAG folgte dieser Argumentation nicht und entschied zugunsten der Arbeitnehmerin und sprach ihr die Zahlung der rückständigen Differenzvergütung sowie die Zahlung einer angemessenen Entschädigung aufgrund Geschlechterdiskriminierung zu.
Von Manuel Klingenberg und Fabienne Richarz
Sozialversicherung: Erhöhung des Beitragszuschlags für Kinderlose und Berücksichtigung von Kindern bei der Berechnung der Beiträge der sozialen Pflegeversicherung durch Arbeitgebende und beitragsabführende Stellen ab dem 01.07.2023
Seit dem 01.07.2023 wird der Beitragssatz in der sozialen Pflegeversicherung nach der Kinderzahl differenziert. Hierzu wurde der Beitragszuschlag für Kinderlose um 0,25 % auf 0,6 % erhöht (§ 55 Abs. 3 S. 1 SGB XI). Zudem werden Mitglieder mit mehreren Kindern ab dem zweiten bis zum fünften Kind mit einem Beitragsabschlag in Höhe von 0,25 % für jedes Kind, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, entlastet (§ 55 Abs. 3 S. 3, 4 SGB XI).
Hintergrund
Die Beiträge in der sozialen Pflegeversicherung werden grundsätzlich paritätisch von Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden, mit Ausnahme in Sachsen, finanziert. Zusätzlich zu dem Beitragssatz müssen kinderlose Mitglieder seit dem Jahr 2005 einen Beitragszuschlag entrichten. Die Zahlung dieses Beitragszuschlags erfolgt im Rahmen des Beitragseinzugsverfahrens und wird gemeinsam mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen an die Einzugsstellen abgeführt.
Von Iris Brandes und Vaia Karatasiou
Rechtsprechungsänderung in der Sozialversicherung: (Schein)-Selbständigkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers
Für die Statusbeurteilung eines Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH gibt es keine besonderen gesetzlichen Regelungen – auch hier richtet sich die Bewertung nach den Vorgaben des § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach sind Anhaltspunkte für eine abhängige Beschäftigung „eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers“. Was das für den Gesellschafter-Geschäftsführer bedeutet, lässt sich so nicht aus dem Gesetz ableiten. Die Entwicklung dieser Kriterien zur Statuseinordnung bleiben der richterlichen Rechtsfortbildung vorenthalten. Sie sind komplex und unterliegen einem ständigen Wandel – ohne rechtliche Expertise ist eine rechtssichere Beurteilung nicht möglich.
Ein Gesellschafter-Geschäftsführer gilt als abhängig beschäftigt, wenn er nicht die erforderliche Rechtsmacht innerhalb der Gesellschaft besitzt. Diese Rechtsmacht ergibt sich aus dem Gesellschaftsvertrag und bedeutet, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der GmbH ausüben kann. Mit Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 13. Dezember 2022, Az. B 12 KR 16/20 R, hat sich die bisher vertraute Definition der Rechtsmacht derart verändert, dass viele Gesellschafter-Geschäftsführer Gefahr laufen, als Scheinselbstständige eingestuft zu werden.
Von Iris Brandes und Dana Schneider
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