Vom Gerichtshof der Europäischen Union
Zum Nachweis der Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen

Im Zuge der zum 1. Januar 2020 in Kraft getretenen „Quick Fixes“ wurden einheitliche Nachweise zum Nachweis der Voraussetzungen der Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen für alle EU-Mitgliedsstaaten eingeführt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) bestätigt nun ausdrücklich, dass daneben andere Nachweise zulässig bleiben.
Sachverhalt
Die (kroatische) Klägerin lieferte Eichenstämme von Kroatien nach Slowenien. Dem Vorabentscheidungsersuchen zufolge hatte der Erwerber den Transport organisiert. Zum Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferungen – deren tatsächliche Durchführung außer Zweifel stand – legte sie schriftliche Erklärungen des Erwerbers gemäß Art. 45a Abs. 1 Buchst. b Ziff. i MwStVO sowie Rechnungen, Versandscheine und CMR-Frachtbriefe vor. Den kroatischen Finanzbehörden genügte dies nicht: Die vorgelegten Nachweise belegten nicht, dass die Voraussetzungen für die Mehrwertsteuerbefreiung erfüllt seien (Einzelheiten ergeben sich aus dem Urteil nicht, dem Vorabentscheidungsersuchen ist jedoch zu entnehmen, dass die Unterlagen nach Art. 45a Abs. 1 Buchst. b Ziff. ii MwStVO in mehrfacher Hinsicht unvollständig waren, z. B. Lieferort oder -datum). Das Vorlagegericht fragte, ob die Steuerbefreiung zu versagen ist, wenn der Nachweis nicht nach Art. 45a MwStVO erbracht wird, oder ob die Steuerbehörde auch andere Nachweise in Betracht zu ziehen habe.
Entscheidung
Der EuGH teilt mit: Art. 45a Abs. 1 Buchst. a oder b MwStVO sieht vor, dass unter den dort beschriebenen Voraussetzungen widerlegbar eine Beförderung oder Versendung von Gegenständen aus dem Gebiet eines Mitgliedsstaats zu ihrem Bestimmungsort in einem anderen Mitgliedsstaat vermutet wird. Aus dem Wortlaut der Vorschrift gehe zwar hervor, in welchen Fällen diese Vermutung gilt. Sie zähle aber nicht abschließend die Nachweise auf, die für die Feststellung der Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung erforderlich seien. Seien die Voraussetzungen für die Anwendung der Vermutung nicht erfüllt, so seien die Steuerbehörden verpflichtet, jeden vom Verkäufer der Gegenstände vorgelegten Nachweis zu würdigen und daraufhin zu prüfen, ob er ein geeigneter Beleg für das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung sei.
Das entspreche den Zielen der Vorschrift: Im Wesentlichen sei sie eingeführt worden, um die Beweisführung bei der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen zu erleichtern, sowohl im Interesse der Unternehmen als auch der Steuerverwaltungen – ohne deshalb die Möglichkeit auszuschließen, andere Nachweise vorzulegen. Weitere damit verfolgte Ziele seien die Förderung des gemeinschaftsinternen Handels und die Verhinderung von Betrug gewesen. Diesen Zielen stehe es nicht entgegen, wenn auch andere Nachweise Berücksichtigung fänden. Hinzu komme: Könnten sich Verkäufer nicht auf jeden Nachweis stützen, dann wären sie von der Steuerbefreiung ausgeschlossen, weil sie einer formellen Anforderung nicht nachgekommen wären. Nach der Rechtsprechung des EuGH laufe aber (von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen) eine Versagung der Steuerbefreiung wegen der Nichtbeachtung formeller Voraussetzungen dem Neutralitätsgrundsatz zuwider, wenn die materiellen Voraussetzungen vorlägen.
Hinweis
Für Deutschland dürfte sich in der Praxis nichts ändern: Schon jetzt lässt die Finanzverwaltung neben den in Art. 45a MwStVO (vgl. § 17a UStDV) geregelten Belegen weitere Nachweise für die Voraussetzung der Steuerbefreiung zu (§§ 17b f. UStDV). Darüber hinaus lässt die deutsche Finanzverwaltung in Ausnahmefällen die Nachweisführung durch einen „Irgendwie-Nachweis“ zu, siehe Abschnitt 6a.2 Abs. 3 Sätze 5 ff. UStAE.
Die Bedeutung des Art. 45a MwStVO liegt darin, dass die dort aufgeführten Nachweise grundsätzlich in allen EU-Mitgliedsstaaten für den Nachweis der Steuerbefreiung ausreichen sollten. Auch diese Regelung ließ sich zu eng auffassen: Im Streitfall lief die Auffassung der Finanzbehörde im Ergebnis darauf hinaus, dass es sich bei diesem Nachweis um eine materielle Voraussetzung der Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen handle. Der EuGH hat diese Auffassung zutreffend zurückgewiesen – nicht ohne darauf hinzuweisen, dass Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL die Gewährung der Steuerbefreiung nicht vom Besitz bestimmter Nachweise abhängig macht.
Fundstellen
EuGH C-639/24 „Flo Veneer“, Urteil vom 13. November 2025

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