Vom Gerichtshof der Europäischen Union
Zum Begriff der steuerbefreiten Kreditvermittlungs-leistung

Das Gericht der Europäischen Union (EuG) stellt klar: Eine steuerfreie Kreditvermittlung setzt nicht voraus, dass der Vermittler die Konditionen aushandelt. Vielmehr genügt es, wenn der Vermittler zwei Parteien in die Lage versetzt, selbst einen Kreditvertrag abzuschließen.
Sachverhalt
Die Klägerin war von der portugiesischen Zentralbank zur Ausübung von Kreditvermittlungstätigkeiten zugelassen. Sie übte ihre Tätigkeiten selbstständig für die Kreditinstitute aus. Ihre auf Grundlage eines „Bindungsvertrags“ mit den Kreditinstituten verrichteten Tätigkeiten bestanden unter anderem darin,
- potenzielle Kunden für Immobilienkredite proaktiv zu suchen und anzuwerben;
- sie dabei zu unterstützen, die für ihren Kreditantrag erforderlichen Unterlagen zusammenzutragen;
- ihnen nähere Informationen zu den wesentlichen Aspekten der Finanzierung wie der Marge (Spread), dem effektiven Jahreszins und der Aufwandsrate zu geben, indem sie Prospekte der Banken mit Finanzinformationen über Immobilienkreditprodukte bereitstellte;
- eine erste Prüfung der von den Kunden zur Bearbeitung ihres Antrags vorgelegten Unterlagen vorzunehmen;
- diese Unterlagen den Kreditinstituten zu übermitteln und die Antworten der Banken entgegenzunehmen;
- den Kunden die Kreditangebote dieser Institute vorzustellen (im Wege von Vergleichsübersichten der Angebote der verschiedenen Banken), um sie zu erläutern und zu erörtern, und
- ihnen die endgültige Entscheidung des Instituts, dessen Angebot sie ausgewählt haben, mitzuteilen.
Sie war dagegen nicht befugt, im Namen der Kreditinstitute Kreditverträge mit den Verbrauchern abzuschließen, und hatte keinen Einfluss auf die Festlegung der Bedingungen der Kreditangebote, auf die Wahl der Verbraucher zwischen den verschiedenen Angeboten sowie auf die Entscheidung der Kreditinstitute, die Kredite zu gewähren. Als Gegenleistung erhielt die Klägerin eine Provision auf Basis des Jahresbetrags der aufgrund ihrer Vermittlung geschlossenen Immobilienkreditverträge. Wie das Vorlagegericht ausführte, handelte die Klägerin weder im Namen der Kreditnehmer noch im Namen ihrer Auftraggeberin.
Während die Klägerin für die meisten ihrer Kunden davon ausging, dass ihre Leistung als Kreditvermittlungstätigkeit steuerbefreit seien, war sie jedenfalls für ein bestimmtes Institut (CGD) anderer Auffassung: Hier ging sie davon aus, dass die ihr gezahlten Provisionen steuerpflichtig seien. Die portugiesischen Finanzbehörden waren der Auffassung, dass auch diese Leistungen steuerbefreit seien. Die vertraglich vereinbarten Dienstleistungen der Vorstellung der Kreditverträge und der Unterstützung der Verbraucher seien mit dem angestrebten Ziel des Abschlusses von Kreditverträgen untrennbar verbunden.
Entscheidung
Das EuG gelangte zum Schluss, dass die Leistungen der Klägerin auch insoweit steuerbefreit seien, als sie die CGD beträfen. Zwar seien zahlreiche Tätigkeiten der Klägerin, wie die Bereitstellung der Prospekte oder die Entgegennahme der Reaktionen der Kreditinstitute, für sich genommen ihrer Art nach rein materielle, technische oder administrative Leistungen. Doch in ihrer Gesamtheit zielten die Dienstleistungen darauf ab, das Erforderliche zu tun, damit ein Kreditinstitut wie CGD mit potenziellen Kunden Kreditverträge abschließe. Das könne sich auch aus der Art der Vergütung ergeben. Der Umstand, dass der Kreditvermittler keinen Einfluss auf den Inhalt des Kreditangebots habe, habe keine Auswirkung auf die Einstufung der Tätigkeiten dieses Vermittlers als unter die Steuerbefreiung nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL fallende Vermittlungsdienstleistungen.
Eine Befugnis des Vermittlers, im Namen und für Rechnung einer Partei des Kreditvertrags zu handeln, sei nicht erforderlich. Vielmehr sei auf die Art der erbrachten Leistung und ihren Zweck abzustellen. Dass zahlreiche Sprachfassungen der MwStSystRL Begriffe wie negotiation verwendeten, die ein Verhandeln andeuteten, sah das EuG nicht als entscheidend an: Dem stünden in zahlreichen anderen Sprachfassungen (darunter der deutschen) Begriffe gegenüber, die eher eine Tätigkeit nahelegten, mit der der Vermittler zwei Parteien in die Lage versetzt, untereinander einen Vertrag zu schließen – und zwar ohne dass der Vermittler notwendigerweise von einer der Vertragsparteien bevollmächtigt wird, die Vertragsklauseln festzulegen oder im Namen und für Rechnung dieser Partei zu handeln.
Auch der Umstand, dass die Kunden frei entscheiden konnten, ob und mit welchem Kreditinstitut sie einen Kreditvertrag abschlossen, änderte nichts an der Einschätzung des EuG: Eine als Kreditvermittlungsleistung steuerbefreite Leistung setze nicht voraus, dass die Parteien in ihrer Vertragsfreiheit beschränkt seien.
Fundstellen
EuG T-657/24 „Versãofast“, Urteil vom 26. November 2025

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