Aus der Finanzverwaltung
BMF: Schreiben zur Steuerbefreiung der Bildungsleistungen

Nach mehreren vergeblichen Anläufen in den vergangenen Jahren hat der Gesetzgeber im Jahressteuergesetz 2024 die Steuerbefreiungsvorschrift für die Bildungsleistungen (§ 4 Nr. 21 UStG) unionsrechtskonform gestaltet. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat nun die Verwaltungsregelungen zu dieser Vorschrift weitgehend neu gefasst und ausgebaut. Dies wird durch ein neues Merkblatt zu Vortragsveranstaltungen bestimmter Veranstalter (§ 4 Nr. 22 lit. a UStG) ergänzt.
Allgemeines
Schon seit Langem galt die Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 21 UStG für Bildungs- und Ausbildungsleistungen in Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht als problematisch. Nicht nur der Bundesfinanzhof (BFH) war daher vielfach dazu übergegangen, in seinen Entscheidungen direkt das Unionsrecht anzuwenden – was dazu beitrug, dieses Rechtsgebiet unübersichtlich zu machen. Das BMF hat die mit Wirkung vom 1. Januar 2025 erfolgte Reform der Vorschrift zum Anlass genommen, die betreffenden Abschnitte des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) umfangreich neu zu gestalten (im Weiteren „Schreiben“).
Die Steuerbefreiungsvorschrift umfasst die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen, wenn sie von bestimmten Einrichtungen sowie (im Fall von Unterrichtsleistungen) durch selbstständige Lehrer erbracht werden. Außerdem wird der von Privatlehrern erteilte Schul- und Hochschulunterricht von der Umsatzsteuer befreit. Das BMF geht auf die Voraussetzungen der Vorschrift in erfreulicher Detailtiefe ein und ergänzt sie mit einer recht großzügigen Übergangsvorschrift. Die Änderungen lassen sich hier nicht erschöpfend darstellen, es sei daher ein allgemeiner Überblick anhand ausgewählter Themen gewährt.
Unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen
Die dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen umfassen Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung sowie berufliche Umschulung (Bildungsleistungen) ebenso wie damit eng verbundene Lieferungen und sonstige Leistungen. Diese Begriffe werden im Schreiben näher bestimmt. Eine Auswahl:
Zu unterscheiden sind Leistungen, die dem Schul- und Bildungszweck unmittelbar dienen, und solche, auf die das nicht zutrifft. Unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienen die Leistungen, die den genannten Zweck nicht nur ermöglichen, sondern ihn selbst bewirken. Veranstaltungen und Kurse, die von ihrer Zielsetzung her auf bloße Freizeitgestaltung gerichtet sind, dienen diesem Zweck nicht – die bloße Möglichkeit, hierbei erlernte Fertigkeiten auch beruflich nutzen zu können, nimmt ihnen noch nicht den Charakter einer Freizeitaktivität. Allerdings kann ein mittelbarer Bezug zur Ausübung einer beruflichen Tätigkeit (wie etwa Leistungen der allgemeinen Qualifikation wie IT-Schulungen, Computer-, Sprach- und Kommunikationskurse) für eine Anwendung der Steuerbefreiung genügen.
Es kommt auf die Erbringung der begünstigten Leistungen an. Hingegen ist nicht entscheidend, mit wem der Vertrag zivilrechtlich abgeschlossen wurde und was die Ziele der Personen sind, die die Leistungen in Anspruch nehmen. Auch die zeitliche Dauer spielt grundsätzlich keine Rolle, ein Tagesseminar kann der Steuerbefreiung ebenso zugänglich sein wie eine ganze Vortragsreihe. Grundsätzlich kommt es auch nicht darauf an, ob die Leistungen als Präsenzunterricht oder als interaktiver Livestream in Anspruch genommen werden (im letzteren Fall allerdings mit der Maßgabe, dass bloße Aufzeichnungen, Online-Klausuren usw. nicht steuerbefreit sind). Lehrgänge und Streaming-Angebote, die nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz zugelassen sind, sollen jedoch (offenbar stets) Bildungsleistungen sein.
Eng verbundene Leistungen sind Leistungen wie zum Beispiel die Zurverfügungstellung von Lehrmaterial. Sie sind nur unter einer Reihe von Voraussetzungen steuerfrei – zum Beispiel müssen sie von einer der in der Vorschrift genannten Einrichtungen erbracht werden, zur Ausübung der Bildungsleistung unerlässlich sein und dürfen nicht den Wettbewerb mit Unternehmern verzerren, die dieselben Leistungen steuerpflichtig erbringen.
Zu den „anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen“, die der Steuerbefreiung unterfallen können, gehören Einrichtungen, die Leistungen erbringen, die ihrer Art nach den Zielen der Berufsausbildung, der Berufsfortbildung oder der beruflichen Umschulung dienen. Darunter können zum Beispiel Einrichtungen fallen, die Nachhilfeunterricht für Schüler oder Repetitorien für Studenten erteilen – nicht jedoch Hersteller- oder Vertriebsunternehmen, die lediglich den Absatz ihrer Produkte durch entsprechende Schulungen beim Kunden fördern (etwa durch Einweisungen zu Software und Maschinen). Auch Fahrschulen können insoweit berufsbildende Einrichtungen sein, als sie Lehrgänge z. B. für Lkw- und Busführerscheine durchführen, da diese Leistungen in der Regel der Berufsausbildung dienen. Dasselbe gilt – unter gewissen weiteren Voraussetzungen – für Musikschulen, künstlerische Bühnentanzschulen und Schulen für darstellende oder bildende Künste oder für Einrichtungen, die Lehrkräfte ausbilden.
Die Bescheinigung
Für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung wird in den meisten Fällen eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde benötigt, aus der sich ergeben muss, dass der Unternehmer mit der bescheinigten Leistung Schulunterricht, Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung erbringt. Es sollte beachtet werden, dass die Bescheinigung der Landesbehörde (wie schon bislang) kein Wahlrecht verleiht, auch kein faktisches: Wie sich aus den Anwendungsregelungen ergibt, obliegt es der Finanzbehörde, in begründeten Fällen eine Prüfung der Voraussetzungen zur Erteilung einer Bescheinigung bei der zuständigen Landesbehörde anzuregen und um Erteilung einer solchen zu bitten.
In den Übergangsvorschriften wird ein Versprechen der Bundesregierung (in einer Antwort vom 5. Dezember 2024 auf die Anfrage eines Mitglieds des Bundestags) eingelöst: Eine vor dem 1. Januar 2025 durch die zuständige Landesbehörde ausgestellte Bescheinigung soll für die damit bescheinigten Leistungen (bis zum Ablauf eines Gültigkeitszeitraums oder eines etwaigen Widerrufs) auch für Besteuerungszeiträume nach dem 31. Dezember 2024 als Nachweis anzuerkennen sein. Das soll auch für Bescheinigungen gelten, die bis zum 31. Dezember 2025 nach dem alten Wortlaut der Vorschrift ausgestellt wurden.
Steuerbefreiung der Privatlehrer
Die Steuerbefreiung der Privatlehrer ist auf Schul- und Hochschulunterricht beschränkt. Sie ist von dem Unterricht durch selbstständige Lehrer an Schulen und Hochschulen zu unterscheiden, bei denen sich eine (Vorstufen-)Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 lit. b UStG richtet. Der Privatlehrer (es kommt nur eine natürliche Person infrage) muss seine Leistungen in eigener Person, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung erbringen. Das schließt jedoch weder aus, dass die Leistung mehreren Schülern gegenüber erteilt wird, noch dass das Thema oder ein Lehrplan vorgegeben sind (etwa im Rahmen des Franchisings), noch dass der Vertrag unmittelbar mit dem Schüler geschlossen wird. Der Lehrer muss objektiv geeignet sein, dazu bedarf es einer Qualifikation (nicht unbedingt „offiziellen“ Charakters), jedoch keiner Bescheinigung wie im Fall der Bildungsleistungen nach Buchstabe a der Vorschrift.
Übergangsregelung
Der neue § 4 Nr. 21 UStG sowie die Grundsätze des Schreibens sind auf alle Umsätze anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2024 erbracht werden. Jedoch wird es für Umsätze, die vor dem 1. Januar 2028 ausgeführt wurden bzw. werden, für das Besteuerungsverfahren nicht beanstandet, wenn der Unternehmer seine Leistungen nach der bisherigen Fassung der betreffenden Abschnitte des UStAE als umsatzsteuerpflichtig bzw. umsatzsteuerfrei behandelt. Das Schreiben enthält davon abgesehen eine Reihe von Regelungen zur Anwendung bestimmter Urteile des BFH, bei denen häufig (aber nicht in allen Fällen) eine Anwendung gleichfalls bis zum 31. Dezember 2027 unterbleiben darf.
Leistungen nach § 4 Nr. 22 lit. a UStG
Das BMF hat zum selben Datum wie das Schreiben zu § 4 Nr. 21 UStG ein Informationsblatt (im Weiteren „Merkblatt“) zum Vorliegen begünstigter Leistungen nach § 4 Nr. 22 lit. a UStG herausgegeben. Diese Vorschrift ergänzt die Steuerbefreiungen der Bildungsleistungen in einiger Hinsicht: Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art nach § 4 Nr. 22 lit. a UStG sind Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen, die von bestimmten Einrichtungen durchgeführt werden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Kostendeckung verwendet werden. Das Merkblatt geht auf einzelne Voraussetzungen dieser Vorschrift ein. Sind solche Veranstaltungen nach Bildungsfreistellungsgesetzen oder ähnlichen Gesetzen der Länder anerkannt bzw. nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz zugelassen, sollen sie als Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art nach § 4 Nr. 22 lit. a UStG gelten.
Hinweis
Die Neuregelung kann im Einzelfall zu einem unerwünschten Wechsel aus der Steuerpflicht in die Steuerbefreiung (oder umgekehrt) führen, der sich zum Beispiel auf den Vorsteuerabzug auswirken kann (zum Beispiel im Fall der Berichtigung nach § 15a UStG unter Umständen auf Jahre hinaus). Abhilfe ist nicht in Sicht: Der Bundesrat hat zwar jüngst die Bundesregierung gebeten, sich für eine mögliche Option für diese Steuerbefreiung (ebenso wie für die anderen gemeinnützigen Steuerbefreiungen) im Sinne des § 9 UStG auf Unionsebene einzusetzen – die Bundesregierung hat diesen Vorschlag jedoch abgelehnt, weil er ihr wenig aussichtsreich erscheint.
Fundstellen
BMF-Schreiben zur Umsatzsteuerbefreiung für unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen sowie Informationsblatt zum Vorliegen begünstigter Leistungen nach § 4 Nr. 22 lit. a UStG vom 24. Oktober 2024;
Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Sarah Rygiewski vom 5. Dezember 2024 auf eine Anfrage des Abgeordneten Fritz Güntzler (CDU/CSU) zur Bescheinigung für eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG;
Gesetzentwurf der Bundesregierung mit der Stellungnahme des Bundesrates und der Gegenäußerung der Bundesregierung, 1. Oktober 2025, BT-Drs. 21/1930 (S. 171 bzw. 178)

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