Aus der Rechtsprechung
Doppelbesteuerung für Warensendungen aus dem Drittland?
Für Einfuhren in Sendungen bis zu einem Sachwert von 150 Euro stehen zwei vereinfachte Verfahren zur Verfügung, die sich bereits von ihrem Ansatz her gegenseitig ausschließen – der Import One Stop Shop (IOSS, § 18k UStG) und das sogenannte „Special Arrangement“ (§ 21a UStG). Das Hessische Finanzgericht (FG) hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, was geschieht, wenn versehentlich beide Verfahren für denselben Vorgang zur Anwendung gelangen.
Sachverhalt
Der Kläger bestellte im Juli 2021 über einen Plattformbetreiber bei einem außerhalb der EU ansässigen Verkäufer zwei Farbdia-Zusammenstellungen. Der Transportunternehmer meldete als direkter Vertreter des Klägers im Wege des „Special Arrangement“ die Waren zur Überführung in den freien Verkehr an. Eine IOSS-Identifikationsnummer der Plattform (IOSS-ID) wurde dabei nicht angegeben. Die Zollbehörde setzte entsprechend Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) fest. Gegen diese Festsetzung ging der Kläger vor: Die EUSt sei wegen der durch den Transportunternehmer abgegebenen Zollanmeldung ein zweites Mal erhoben worden, der Plattformbetreiber habe nachweislich von ihm zusammen mit dem Kaufpreis einen zur Abführung im IOSS-Verfahren bestimmten Umsatzsteuerbetrag unter einer bestimmten IOSS-ID eingezogen und bereits an die deutsche Finanzverwaltung abgeführt. Er werde daher zweifach besteuert. Die Zollverwaltung lehnte es ab, den EUSt-Bescheid aufzuheben, und verwies den Kläger darauf, sich wegen einer Rückzahlung mit der Verkäuferseite auseinanderzusetzen.
Entscheidung
Das FG hielt den EUSt-Bescheid für rechtmäßig. Bei der Einfuhr von Gegenständen in das Steuergebiet der Union würden systematisch zwei umsatzsteuerliche Tatbestände verwirklicht: Zum einen finde eine Lieferung von Gegenständen statt, zum anderen eine Einfuhr. Sowohl das Verfahren „IOSS“ als auch das „Special Arrangement“ stellten unter den weiteren Voraussetzungen aber sicher, dass die Steuer nur einmal erhoben werde:
- IOSS besteuere zwar eine deutsche Inlandslieferung, weil in seinem Fall der Leistungsort der Ort sei, an dem der Transport an den Erwerber ende. Dafür sei aber unter gewissen weiteren Voraussetzungen – unter anderem der Verwendung einer IOSS-ID – die Einfuhr steuerfrei (§ 5 Abs. 1 Nr. 7 UStG).
- Unter dem „Special Arrangement“ erfolge die Erhebung der EUSt beim Sendungsempfänger, wogegen die der Einfuhr zugrundeliegende Lieferung nicht der deutschen Umsatzsteuer unterliege: Hier sei der Leistungsort der Ort, an dem der Transport an den Abnehmer beginne – der somit außerhalb der EU liege. Dieses Verfahren setze insbesondere voraus, dass für die Einfuhr der Gegenstände „eine Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 7 nicht in Anspruch genommen wird“; es schreibe verpflichtend fest, dass die Einfuhrabfertigung für Rechnung des Warenempfängers zu erfolgen hat. Eine Einfuhrzollabfertigung für Rechnung des Händlers sei in diesem Konzept nicht vorgesehen.
Im vorliegenden Fall sei das „Special Arrangement“ nach § 21a UStG mit Einfuhrabfertigung für Rechnung des Warenempfängers gewählt worden. Dabei habe der Transportunternehmer befugtermaßen im Rahmen der Zollanmeldung als direkter gesetzlicher Vertreter im Namen und für Rechnung des Klägers als Warenempfänger gehandelt, die Zollanmeldung sei dem Kläger als Vertretenem zuzurechnen. Zu Recht sei keine Befreiung von der EUSt gewährt worden, weil sie unter dem „Special Arrangement“ ausdrücklich nicht vorgesehen sei – davon abgesehen hätte sie schon darum nicht gewährt werden können, weil keine IOSS-ID angegeben worden sei.
Zwar sei dem Kläger insofern beizupflichten, als mit beiden Sonderregelungen (§ 18k und § 21a UStG) jeweils eine Doppelbesteuerung vermieden werden solle, indem es im Regelfall nur einmal zur Festsetzung von Umsatzsteuer komme, entweder auf die Lieferung oder in Form von EUSt. Allerdings habe das Problem hier nicht bei den Zollbehörden gelegen und solle daher nicht auf sie abgewälzt werden. Vielmehr sei die Wahl des Verfahrens nach § 21a UStG auf die fehlende Abstimmung zwischen Lieferer/Plattformbetreiber und Beförderer zurückzuführen gewesen.
Die Doppelbesteuerung wollte das FG im vorliegenden Fall ausnahmsweise in Kauf nehmen und die Rückabwicklung bzw. die Leistung von Schadenersatz den Vertrags- und Beförderungspartnern überlassen. Das gelte umso mehr, als der Gesetzgeber hier nur eine konkrete Fallgestaltung der steuerlichen Rückabwicklung vorgesehen habe, die Verweigerung der Annahme der Sendung mit Rückversand ins Drittland. Der Kläger habe sich aber bewusst gegen eine Verweigerung der Annahme entschieden. Er habe sich an die Person zu halten, die für die Doppelerhebung verantwortlich sei – zumal anderenfalls theoretisch Missbrauch drohe, weil eine Aufhebung des EUSt-Bescheids ihn nicht daran hindere, parallel den Plattformbetreiber um Korrektur der IOSS-Anmeldung anzugehen, wonach es im Ergebnis zu einer Nichtbesteuerung komme.
Hinweis
Es sollte beachtet werden, dass es sich um das Urteil eines erstinstanzlichen Finanzgerichts handelt. Ob das Urteil rechtskräftig ist, war zuletzt noch nicht bekannt. Mangels einer Zulassung der Revision wird es zu einer Befassung des Bundesfinanzhofs mit diesem Fall aber wahrscheinlich nicht kommen.
Der Kläger war der Auffassung, dass er nicht für die Unzulänglichkeiten der Interimslösung verantwortlich zu machen sei, die zwischen dem Transportunternehmer und dem deutschen Zoll zwischen Juli 2021 und Januar 2022 zur Anwendung gelangt war. Nach Meinung des FG war jedoch dieses alternative fachliche Ausfallkonzept dem Sendungsvolumen von mehreren Tausend Stück pro Tag durchaus gewachsen.
Fundstelle
Hessisches FG 7 K 165/22, Urteil vom 24. Juni 2025

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