Vom Europäischen Gerichtshof

Verrechnungspreise und Umsatzsteuer

Wenn verbundene Unternehmen internationaler Konzerne untereinander Leistungen vereinbaren, müssen die Vergütungen grundsätzlich einem Fremdvergleich standhalten. Im vorliegenden Urteil ging der Europäische Gerichtshof (EuGH) der Frage nach, ob die in diesem Zusammenhang für Zwecke der direkten Besteuerung entwickelten Regeln auch für die indirekte Besteuerung bedeutsam sind. In diesem Zusammenhang geht er darauf ein, wann eine ungewisse Vergütung als Entgelt gilt.

Sachverhalt

Die (rumänische) Klägerin gehört zu einem weltweiten Konzern. Im Rahmen ihrer Tätigkeit kaufte oder vermietete sie Kräne, um sie an ihre Kunden in Rumänien weiterzuverkaufen oder zu vermieten. Ihre belgische Muttergesellschaft vermittelte ihr Lieferanten, mit denen sie die Vertragsbedingungen aushandelte. Die Kauf- und Mietverträge für die in Rumänien ausgeübte Tätigkeit wurden allerdings direkt zwischen der Klägerin und ihren Lieferanten bzw. Kunden abgeschlossen.

Eine Untersuchung der Verrechnungspreise im Verhältnis zwischen der Muttergesellschaft und ihren Tochtergesellschaften ergab, dass die Tochtergesellschaften gemäß den Verrechnungspreisregelungen auf dem Referenzmarkt eine Betriebsergebnismarge zwischen –0,71 und 2,74 Prozent ausweisen müssten. In einem Vertrag mit der Klägerin verpflichtete sich die Muttergesellschaft neben der Aushandlung der (Rahmen‑)Verträge mit Drittlieferanten weitere Tätigkeiten in den Bereichen Strategie und Planung, Technik und Finanzen zu erbringen und die wirtschaftlichen Hauptrisiken in Zusammenhang mit der Tätigkeit der Klägerin zu übernehmen. Die Klägerin verpflichtete sich, alle für die Ausübung ihrer Tätigkeit erforderlichen Gegenstände zu erwerben und sie weiterzuverkaufen bzw. zu vermieten. Die Vergütung sollte auf der in den OECD-Leitlinien vorgesehenen geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode beruhen. Im Fall, dass der Gewinn der Klägerin die Betriebsergebnismarge von 2,74 Prozent überstieg, sollte die Muttergesellschaft der Klägerin eine jährliche Rechnung über eine Ausgleichszahlung für den übersteigenden Gewinn ausstellen. Umgekehrt sollte die Klägerin der Muttergesellschaft eine Rechnung über den übersteigenden Verlust ausstellen, falls der Verlust mehr als 0,71 Prozent betrug. Lag die Betriebsergebnismarge zwischen -0,71 und 2,74 Prozent, wurde keine Vergütung geschuldet.

In den Jahren 2011, 2012 und 2013 erzielte die Klägerin eine höhere Gewinnspanne als die im Vertrag vorgesehenen 2,74 Prozent. Für jedes dieser Jahre erhielt sie von ihrer Muttergesellschaft eine Rechnung ohne Mehrwertsteuer. Die Klägerin ging für die beiden ersten Rechnungen von einem Übergang der Steuerschuldnerschaft aus, im Fall der dritten Rechnung war sie der Auffassung, dass die zugrundeliegenden Umsätze nicht mehrwertsteuerbar seien. Die Finanzverwaltung versagte den Vorsteuerabzug aus allen drei von der Muttergesellschaft ausgestellten Rechnungen mit der Begründung, dass die Klägerin weder die Erbringung der in Rechnung gestellten Dienstleistungen noch deren Erforderlichkeit für die Zwecke ihrer steuerbaren Umsätze nachgewiesen habe. Aus den Rechnungen war weder die Menge noch die Art der erbrachten Dienstleistungen ersichtlich, sodass sie nicht den von Rumänien geltenden Anforderungen an eine Rechnung entsprachen.

Entscheidung

Nach Auffassung des EuGH war die Zahlung der Klägerin an die Muttergesellschaft Entgelt für eine von der Muttergesellschaft erbrachte Dienstleistung. Der Umstand, dass die der Muttergesellschaft geschuldete Vergütung lediglich darauf abziele, die Gewinnspanne der Tochtergesellschaft im Einklang mit den OECD-Leitlinien anzupassen, um den in diesen Leitlinien verankerten Fremdvergleichsgrundsatz zu wahren, ändere daran nichts. Liege eine Dienstleistung vor, könne auch ein Verrechnungspreis den tatsächlichen Gegenwert für diese Dienstleistung darstellen.

Zwar könne die Ungewissheit des Vorliegens einer Vergütung geeignet sein, den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der dem Empfänger erbrachten Dienstleistung und der gegebenenfalls erhaltenen Vergütung aufzuheben. Im vorliegenden Fall sei die im Vertrag vereinbarte Vergütung zwar als solche variabel, da sie eine positive Gewinnspanne voraussetze und daher vom Ergebnis der Klägerin in einem bestimmten Jahr abhänge. Die Vergütung werde jedoch weder aus freien Stücken gewährt, noch sei sie vom Zufall abhängig, schwer zu quantifizieren oder ungewiss im Sinne der EuGH-Rechtsprechung. Die Modalitäten der Vergütung in diesem Vertrag seien im Voraus und nach genauen Kriterien festgelegt, sodass die Vergütung als solche frei von Unwägbarkeiten sei. Über den Fall, dass sich die Entgeltrichtung umkehre und die Muttergesellschaft an die Klägerin eine Zahlung zu leisten habe, hatte der EuGH – wie er mitteilt – nicht zu entscheiden, da der Sachverhalt in den hier gegenständlichen drei Jahren eine Zahlung der Klägerin an die Muttergesellschaft vorsah.

Der Gerichtshof befasste sich zudem mit der Frage, ob die Finanzbehörden zum Nachweis der abgerechneten Dienstleistungen und ihrer Verwendung die Vorlage anderer Dokumente als der Rechnung verlangen dürften. Nach Auffassung des EuGH dürfe die Finanzbehörde das Recht auf Vorsteuerabzug nicht allein deshalb versagen, weil eine Rechnung bestimmte nationale Formerfordernisse nicht erfülle, wenn die Behörden über sämtliche Daten verfügten, um zu prüfen, ob die für dieses Recht geltenden materiellen Bedingungen erfüllt seien. Zu diesem Zweck dürften sie vom Steuerpflichtigen die Vorlage zusätzlicher Nachweise verlangen, dass die betreffenden Eingangsleistungen tatsächlich von der Muttergesellschaft erbracht worden seien und dass die Klägerin sie tatsächlich für ihre eigenen steuerbaren Umsätze verwendete. Allerdings dürfe das nicht zum Zweck eines Nachweises der Erforderlichkeit oder Zweckmäßigkeit dieser Dienstleistungen (im Sinne der wirtschaftlichen Rentabilität des Eingangsumsatzes) für ihre steuerbaren Umsätze erfolgen.

Hinweis

Der EuGH hat somit zumindest in einem Teilbereich für Rechtssicherheit gesorgt: er beurteilte in diesem Verfahren Verrechnungspreise, die auf Jahresbasis als Gegenleistung für unterjährig tatsächlich erbrachte Leistungen entrichtet wurden. Nicht erfasst sind die wohl häufigeren Fälle, in denen die Verrechnungspreise für die einzelnen Leistungen festgelegt und laufend gezahlt werden, und für die am Jahresende eine Ausgleichszahlung entrichtet wird: Der Logik des EuGH folgend dürfte es sich insoweit unzweifelhaft um Entgelt für die erbrachten Dienstleistungen handeln. Ob die Ausgleichszahlung aber als Änderung der Bemessungsgrundlage gilt oder eine andere umsatzsteuerliche Behandlung erfordert, ist Fallfrage.

Der Gerichtshof sieht den Umstand, dass die Vergütungsrichtung sich theoretisch umkehren oder auch von keiner Seite eine Vergütung gezahlt werden könnte, jedenfalls für die Jahre nicht als maßgeblich an, in denen tatsächlich eine Vergütung für konkrete Leistungen der Muttergesellschaft entrichtet wurde. Wie die umsatzsteuerliche Rechtslage in einem Jahr ohne Zahlung oder mit Zahlung in umgekehrter Richtung zu beurteilen ist, sagt der EuGH nicht. Er äußert sich auch nicht dazu, ob seiner Auffassung nach auch die Klägerin eine Leistung erbrachte, indem sie ihre Geschäftstätigkeit in Rumänien erbrachte, zumindest teilt er lediglich mit, die Klägerin habe sich zur Zahlung des dem überschießenden Gewinn entsprechenden Betrags verpflichtet, ohne auf einen möglichen tauschähnlichen Umsatz mit Baraufgabe einzugehen.

In Zusammenhang mit seinen Ausführungen, die „variable“ Vergütung werde weder freiwillig noch zufällig gewährt, noch sei sie schwer quantifizierbar oder im Sinne seiner Rechtsprechung ungewiss, nimmt er unter anderem auf die Entscheidung „Baštová“ Bezug, der möglicherweise als Beispiel für eine „zufällige“, jedenfalls aber für eine „ungewisse“ Entgeltgewährung in Betracht kommt: Hier sah der EuGH das Preisgeld bei Teilnahme an einem Pferderennen nicht als Entgelt für die Überlassung des Pferdes an, weil es nicht für die Überlassung, sondern für „die Erzielung eines bestimmten Wettbewerbsergebnisses, nämlich eine erfolgreiche Platzierung des Pferdes“ gewährt werde. Der Erhalt des Preisgelds hänge also von der Erzielung einer besonderen Leistung ab und unterliege gewissen Unwägbarkeiten.

Offenkundig hält der EuGH den Gewinn eines Unternehmens nicht in dem Sinne für „zufällig“ oder „ungewiss“, dass der unmittelbare Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt entfällt. Es bleibt die Frage offen, ob der EuGH es dem Unternehmer wirklich zumuten möchte, die Entgeltlichkeit der Leistungen der Muttergesellschaft eines bestimmten Zeitraums aufgrund einer „Ex-post-Betrachtung“ zu beurteilen. Gegen ein solches Vorgehen könnte vor allem dann, wenn Leistungen nur von einer Seite erbracht werden, insbesondere das Gebot der Rechtssicherheit sprechen: Dieses Gebot verlangt, dass Rechtsvorschriften (vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen für Einzelne und Unternehmen haben können) klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar sein müssen, damit die Einzelnen ihre Rechte und Pflichten unzweideutig erkennen und sich somit in ihrem Verhalten darauf einstellen können.

Fundstellen

EuGH C-726/23 „Arcomet Towercranes“, Urteil vom 4. September 2025; C-432/15 „Baštová“, Urteil vom 10. November 2016

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