Aus der Rechtsprechung

Vorsteuerabzug bei unternehmerisch veranlassten Gratisleistungen

Ein vom Bundesfinanzhof (BFH) entschiedener Fall drehte sich um den Vorsteuerabzug bei unentgeltlicher Trocknung von Holzhackschnitzeln zur Erlangung eines Kraft-Wärme-Kopplung-Bonus (KWK-Bonus). Was sich zunächst eher wie ein Orchideenfall ohne besondere Breitenwirkung anhört, gibt Anlass zur Sorge in Hinblick auf die Erosion des Vorsteuerabzugsrechts in relevanteren Fällen.

Sachverhalt

Die Klägerin betrieb ein Blockheizkraftwerk (BHKW), das Biogas in Strom und Wärme umwandelte. Den Strom speiste die Klägerin entgeltlich in das Netz des Energieversorgers ein. Zusätzlich zur Grundvergütung erhielt sie vom Energieversorger (als Teil des Entgelts für die Stromlieferung) einen sogenannten KWK-Bonus, weil sie auch die Wärme sinnvoll nutzte: Einen Teil der Wärme lieferte sie entgeltlich an ein Krankenhaus; einen anderen Teil nutzte sie dazu, unentgeltlich Holzhackschnitzel einer anderen Gesellschaft (A) zu trocknen, was ihren KWK-Bonus weiter erhöhte. Für die Trocknung erwarb die Klägerin eigens eine Trocknungsanlage, für die sie die Vorsteuer abzog. Nach Meinung des Finanzamts, das den Vorsteuerabzug nicht gewährte, war die unentgeltliche Trocknung als steuerpflichtige unentgeltliche Wertabgabe zu erfassen, weil sie keinen (eigenen) unternehmerischen Zwecken gedient habe.

Entscheidung

Nach Meinung des BFH handelte es sich bei der Trocknungsleistung um eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit im engeren Sinne. Sie sei nicht als umsatzsteuerbare unentgeltliche Wertabgabe anzusehen, weil sie aus betrieblichen Gründen – also nicht für Zwecke außerhalb des Unternehmens – erfolgt sei. Die unentgeltliche Dienstleistungserbringung unterliege (im hier einschlägigen Fall des § 3 Abs. 9 Nr. 2 UStG) nur dann der Umsatzsteuer, wenn sie zu unternehmensfremden Zwecken erfolge. Hier habe ein überwiegendes unternehmerisches Interesse vorgelegen, weil die Klägerin durch die Nutzung der Wärme einen höheren KWK-Bonus erlangen konnte. Dies habe die Rentabilität des Unternehmens der Klägerin gesteigert. Die Trocknung habe keinen großen Effekt für den Brennwert der Holzschnitzel gehabt, wogegen der erhöhte KWK-Bonus beim 75-fachen des Werts der Trockenleistung gelegen habe. Daher sei das unternehmerische Interesse der Eigentümerin der Holzhackschnitzel an der Trocknung gegenüber dem der Klägerin am Erhalt des erhöhten KWK-Bonus von nur untergeordneter Bedeutung gewesen.

Dennoch stand der Klägerin nach Meinung des BFH kein Vorsteuerabzug aus der Anschaffung der Trocknungsanlage zu. Dazu bedürfe es grundsätzlich eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren vorsteuerunschädlichen Ausgangsumsätzen oder eines Zusammenhangs mit der gesamten Unternehmenstätigkeit (Allgemeinkosten). Ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang habe zwar bestanden, aber nicht mit der Stromeinspeisung, sondern (nur) mit der unentgeltlichen Trocknung der fremden Holzhackschnitzel. Der Umstand, dass die Klägerin einen höheren KWK-Bonus erzielte, lasse lediglich einen mittelbaren Veranlassungszusammenhang erkennen. Allgemeinkosten lehnte der BFH ab, weil der gerade genannte direkte und unmittelbare Zusammenhang sie ausschließe.

Auch ein Vorsteuerabzug nach den sogenannten „Mitteldeutsche Hartstein“-Grundsätzen kam nicht in Betracht: Demnach steht einem Unternehmer der Vorsteuerabzug aus einer Leistung zu, die er bezieht, um sie (auch) unentgeltlich an einen Dritten weiterzureichen, wenn mit der bezogenen Leistung zugleich die eigene unternehmerische Tätigkeit ermöglicht wird – vorausgesetzt, dass die bezogene Eingangsleistung nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um diesen Zweck (für das eigene Unternehmen) zu erfüllen, die Kosten der Eingangsleistung (kalkulatorisch) im Preis der getätigten Ausgangsumsätze enthalten sind und der Vorteil des Dritten allenfalls nebensächlich ist. Hier habe die Klägerin ihre eigene Tätigkeit mit der Trocknung nur gefördert, nicht erst ermöglicht. Damit habe sich die Anschaffung der Trocknungsanlage und die unentgeltliche Trocknung fremder Holzhackschnitzel nicht auf das beschränkt, was erforderlich war, um den Betrieb des BHKW zur Stromeinspeisung zu gewährleisten. Außerdem sei der Vorteil der A nicht nur nebensächlich gewesen.

Im Ergebnis versagte der BFH nicht nur den Vorsteuerabzug auf die Anschaffung der Trockenanlage, sondern sprach sich für weitergehende Vorsteuerkürzungen aus, weil infolge seiner Beurteilung das BHKW und auch andere Eingangsleistungen teils für nichtwirtschaftliche Leistungen im engeren Sinne verwendet würden – was mangels eines vollen Zuordnungswahlrechts auch eine Berichtigung des Vorsteuerabzug vor allem aus der Anschaffung oder Herstellung des BHKW gemäß § 15a Abs. 1 UStG einschloss.

Hinweis

Es ist nicht leicht nachvollziehbar, wie der BFH von Trockenleistungen „im überwiegenden unternehmerischen Interesse“ zu nichtwirtschaftlichen Leistungen im engeren Sinne gelangt:

  • Unter Leistungen „im überwiegenden unternehmerischen Interesse“ versteht der BFH, wie er selbst ausführt, Tätigkeiten wie etwa (unter bestimmten weiteren Voraussetzungen) Sammelbeförderungen von Arbeitnehmern oder die unentgeltliche Abgabe von Speisen anlässlich und während eines außergewöhnlichen Arbeitseinsatzes. Solche Leistungen, die regelmäßig die Gestaltung der Dienstausübung betreffen, nennt das Bundesministerium der Finanzen (BMF) „überwiegend durch das betriebliche Interesse des Arbeitgebers veranlasste Leistungen“ (siehe Abschnitt 1.8 Abs. 4 UStAE und die dortige Aufzählung), den Vorsteuerabzug aus den betreffenden Eingangsleistungen erkennt es grundsätzlich an.
  • Unter nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten im engeren Sinne versteht man dagegen Tätigkeiten, die zwar nicht unternehmerisch, aber auch nicht in dem Sinne unternehmensfremd sind, dass sie einen privaten Bedarf befriedigen – Beispiele sind hoheitliche Tätigkeiten juristischer Personen des öffentlichen Rechts oder das bloße Halten, Verwalten und Veräußern gesellschaftsrechtlicher Beteiligungen (vgl. Abschnitt 2.3 Abs. 1a UStAE). Soweit sich Eingangsleistungen auf nichtwirtschaftliche Leistungen im engeren Sinne beziehen, ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen.

Das Urteil legt nahe, dass Leistungen „im überwiegenden unternehmerischen Interesse“ erfolgen können, während sie zugleich nichtunternehmerischer Natur sind – diese Unklarheit löst der BFH im Urteil nicht explizit auf, offenbar wirkt jedenfalls im Streitfall das „unternehmerische Interesse“ nur so weit, als dadurch eine unternehmensfremde (das heißt für private Zwecke erbrachte) Leistung ausgeschlossen wird. Im vorliegenden Fall entspricht die „nichtwirtschaftliche Leistung im engeren Sinne“ zudem keiner der bekannten Fallgruppen. Wie es scheint, möchte der BFH die Kategorie der „nichtwirtschaftlichen Leistungen im engeren Sinne“ für nichtsteuerbare Leistungen zum Vorteil eines Dritten öffnen, wenn nicht die Grundsätze der „Mitteldeutsche Hartstein“-Rechtsprechung eingreifen.

Das ist in einiger Hinsicht besorgniserregend. Die „Mitteldeutsche Hartstein“-Rechtsprechung hatte die Vorsteuerabzugsmöglichkeiten in Fällen erweitert, in denen eine Leistung für das eigene Unternehmen de facto (auch) einem Dritten zugutekommt. Ein Beispiel ist der vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) entschiedene Pilotfall „Mitteldeutsche Hartstein“ – darin hatte der EuGH dem Vorsteuerabzug aus der Ertüchtigung der Straße einer Gemeinde durch einen Unternehmer für den Schwerlastverkehr stattgegeben, der sonst einen Steinbruch nicht hätte ausbeuten können. Nun wirft das Urteil zum Beispiel die Frage auf, ob der BFH mit Bezug zumindest auf einzelne „überwiegend durch das betriebliche Interesse des Arbeitgebers veranlasste Leistungen“ zu anderen Beurteilungen gelangen würde. Unter diese Leistungen zählt das BMF zum Beispiel die Zurverfügungstellung von Betriebsparkplätzen und Betriebskindergärten sowie Zuwendungen im Rahmen von Betriebsveranstaltungen. Diese und andere Leistungen werden die unternehmerische Tätigkeit aber regelmäßig nur fördern, nicht erst ermöglichen. Nach der Logik des vorliegenden Urteils könnten Eingangsleistungen wie etwa die Einrichtung des Betriebskindergartens „lediglich einen mittelbaren Veranlassungszusammenhang erkennen“ lassen, was den Vorsteuerabzug aus diesen Leistungen infrage stellt. Daneben könnte der Vorsteuerabzug noch bei anderen Sachverhalten in Zweifel gezogen werden, so etwa im Fall der Abgabe von sonstigen Leistungen (z. B. Konzertkarten) aufgrund einer Verlosung im Rahmen von Werbeaktionen.

Sollte es nicht irgendeinen nicht ausdrücklich zur Sprache gelangten Aspekt geben, der diese Leistungen von der hier gegenständlichen Trocknungsleistung abgrenzt, könnte das Spielräume für die Betriebsprüfung öffnen: Beim Vorsteuerabzug aus Aufwendungen für arbeitssichernde und arbeitsfördernde Maßnahmen, die auch die Befriedigung eines privaten Bedarfs der Arbeitnehmer zur Folge haben, ließe sich dann die Erforderlichkeit und damit der Vorsteuerabzug (ganz oder teilweise) anzweifeln.

Fundstellen

BFH XI R 4/23, Urteil vom 11. Dezember 2024; EuGH C-528/19 „Mitteldeutsche Hartstein-Industrie“, Urteil vom 16. September 2020

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