Aus der Rechtsprechung
Zum Leistungsaustausch im Lockdown

Die Pandemiezeit brachte vor allem während der Lockdowns in vielen Branchen (insbesondere) Präsenzleistungen weitgehend zum Erliegen. Was dies für die Umsatzsteuer bedeuten konnte, zeigt eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) anhand der Leistungen eines Fitnessstudios.
Sachverhalt
Der Kläger betrieb im Jahr 2020 ein Fitnessstudio. Die Laufzeit einer Mitgliedschaft in seinem Fitnessstudio betrug je nach Vereinbarung zwölf oder 24 Monate, der Mitgliedsbeitrag war monatlich im Voraus zu entrichten und wurde per Lastschrift eingezogen. In der Zeit vom 17. März bis zum 17. Mai 2020 war das Fitnessstudio wegen eines infolge der Coronapandemie verhängten Lockdowns geschlossen. Auf einem Aushang vor Ort teilte der Kläger mit, dass der Zeitraum, in dem in seinem Fitnessstudio nicht trainiert werden könne, neben vielfältiger Alternativangebote am Ende der Mitgliedschaft beitragsfrei ersetzt werde. Er wies zudem im Internet auf seine Telefon-Hotline, kostenlose (auch Nichtmitgliedern zugängliche) Online-Live-Kurse und einen kostenlosen 3D-Körperscan hin. Jeder Schließungsmonat werde ersetzt, seine Mitglieder erhielten „3 Gratis-Monate, 3 x 1 Gratis-Monat zum Verschenken, 1 x Personal Training“. Nur wenige Mitglieder verlangten die Mitgliedsbeiträge zurück und von den übrigen Mitgliedern, die den Mitgliedsbeitrag weiterhin zahlten, nahm ebenfalls nur eine überschaubare Zahl die Zeitgutschriften bzw. Bonusmonate tatsächlich in Anspruch.
Der Kläger meldete für den Monat April 2020 keine, für die Monate März und Mai nur anteilig Umsatzsteuer: Während der behördlich angeordneten Schließzeit seien keine Leistungen an die Mitglieder erbracht worden. Das Finanzamt zeigte sich damit nicht einverstanden.
Entscheidung
Der Bundesfinanzhof hob die Vorentscheidung des erstinstanzlichen Finanzgerichts auf, das entschieden hatte, dass die von den Kunden entrichteten Beiträge kein Entgelt für eine steuerbare Leistung seien. Zwar löse eine Geldzahlung ohne eine ausgeführte Lieferung oder eine erbrachte Dienstleistung allein noch keine Steuerpflicht beim Empfänger aus – es sei die Leistungserbringung, nicht die Entgeltentrichtung, die der Besteuerung unterliege. Hier sei aber Entgelt im Voraus für monatliche Teilleistungen entrichtet worden und mit Vereinnahmung zu versteuern gewesen.
Wenn für eine vereinbarte Leistung ein Entgelt entrichtet, die Leistung aber nicht ausgeführt wurde, sei die Bemessungsgrundlage zu berichtigen. Diese Minderung trete nicht bereits dann ein (auch nicht bei Unmöglichkeit der Leistung), wenn der Rückzahlungsanspruch entstanden sei – sondern erst dann, wenn das bereits gezahlte Entgelt tatsächlich zurückgezahlt worden sei. Auch soweit einige wenige Mitglieder die Beiträge zurückgefordert hätten, sei die Bemessungsgrundlage für die mit Ablauf der Monate März, April und Mai 2020 entstandene Steuer (erst) in dem Besteuerungszeitraum der Beitragsrückgewähr zu berichtigen.
Soweit die Beiträge für die Schließzeit nicht zurückgefordert worden seien, liege gleichwohl eine Leistung zugrunde – es habe sich um Entgelt für eine steuerbare Leistung gehandelt, weil der Kläger den Mitgliedern Bonusmonate als verbrauchsfähigen Vorteil zugewandt habe. Auf eine zivilrechtlich wirksame Vereinbarung mit den Kunden komme es hierzu nicht an. Soweit die Mitglieder von den Bonusmonaten keinen Gebrauch gemacht hätten, bestehe die Leistung des Klägers in einer umsatzsteuerbaren Leistungsbereitschaft, sodass der Umfang der tatsächlichen Inanspruchnahme der Leistung nicht entscheidend sei.
Hinweis
Zum selben Datum veröffentlichte der BFH eine weitere, teilweise inhaltsgleiche und in den wesentlichen Punkten übereinstimmende Entscheidung mit ähnlichem Sachverhalt.
Wie der BFH mitteilte, bedurfte es in diesem Fall keiner Entscheidung darüber, ob der Kläger mit den darüber hinaus gratis angebotenen Online-Live-Kursen, der Telefon-Hotline und dem kostenlosen 3D-Körperscan seinen Mitgliedern einen verbrauchsfähigen Vorteil für die geleisteten Monatsbeiträge verschafft habe – wobei die freie und unentgeltliche Zugänglichkeit der Online-Live-Kurse gegen einen Leistungsaustausch sprechen könne.
Fundstellen
BFH XI R 5/23 sowie (teilweise inhaltsgleich) XI R 36/22, Urteile vom 13. November 2024

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