Aus der Rechtsprechung
Keine Ansässigkeit aufgrund eines im Inland vermieteten Grundstücks
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Das Finanzgericht (FG) Münster hat eine Regelung des Bundesfinanzministeriums zurückgewiesen, wonach Unternehmer mit Sitz im Ausland, die ein im Inland gelegenes Grundstück besitzen und steuerpflichtig vermieten, insoweit als im Inland ansässig zu behandeln seien.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Grundstücksgesellschaft, war in Italien ansässig. Für ein in Deutschland gelegenes Grundstück, unter anderem mit Ladenlokalen, für die ihre vier Gesellschafter als Eigentümer im Grundbuch eingetragen waren, wurde während der Jahre 2008 bis 2017 Zwangsverwaltung angeordnet. Der Zwangsverwalter schloss Mietverträge ab und optierte (offenbar) zur Umsatzsteuer. Nach Auffassung des Finanzamts war die Klägerin auch nach Ende der Zwangsverwaltung an die vom Zwangsverwalter abgeschlossenen Mietverträge gebunden, sofern nicht neue Mietverträge mit den jeweiligen Mietern abgeschlossen worden waren. Daher setzte das Finanzamt für die Streitjahre 2020 und 2021 Umsatzsteuer gegen die Klägerin fest. Die Klägerin wandte ein, dass sie keine Kopien der Verträge erhalten habe, sodass sie nicht wisse, ob tatsächlich eine Option ausgeübt worden sei, und dass sie die Option zu Beginn der Streitjahre widerrufen habe.
Entscheidung
Nach Meinung des FG war die Klägerin nicht Steuerschuldnerin geworden. Es ging davon aus, dass der Zwangsverwalter Mietverträge im Namen nicht der Klägerin, sondern ihrer vier Gesellschafter abgeschlossen hatte. Das entspreche auch der gesetzlichen Verpflichtung des Zwangsverwalters, der das Grundstück für die Eigentümer des beschlagnahmten Grundstücks zu verwalten habe – das seien während der Zwangsverwaltung nicht die Klägerin, sondern die genannten vier Personen gewesen. Dieselben vier Personen seien später nach Aufhebung der Zwangsverwaltung gesetzlich in den Mietvertrag eingetreten. Es sei mangels Vortrags des Finanzamts auch nicht positiv feststellbar gewesen, ob die Mietverträge auf die Klägerin übergegangen seien, obwohl die Klägerin bald nach Ende der Zwangsverwaltung im Wege einer Berichtigungsbewilligung als Eigentümerin eingetragen worden sei. Zumindest in den Streitjahren (2020 und 2021) sei auch keine von den Eigentümern verschiedene Bruchteilsgemeinschaft als umsatzsteuerliche Unternehmer anzusehen gewesen. Daher sei die Klägerin nicht leistende Unternehmerin gewesen und schulde die Steuer (zumindest) nicht aus diesem Grund.
Doch selbst wenn die Klägerin Unternehmerin gewesen wäre, wäre nicht die in Italien ansässige Klägerin, sondern die jeweiligen Leistungsempfänger Steuerschuldner geworden, weil die Steuerschuld nach den allgemeinen Regeln auf sie übergegangen wäre. Die Vermietungsleistung sei auch nicht über eine im Inland befindliche umsatzsteuerliche Betriebsstätte erbracht worden. In seinem Urteil in der Rechtssache „Titanium“ habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) mitgeteilt, dass eine vermietete Immobilie keine feste Niederlassung sei, wenn der Eigentümer der Immobilie nicht über eigenes Personal für die Leistungsbewirkung im Zusammenhang mit der Vermietung verfüge. Hier sei keinerlei im Inland tätiges Personal feststellbar gewesen, die Vermietung sei damit unmittelbar aus dem Ausland ohne Beteiligung einer im Inland gelegenen Betriebsstätte erfolgt. Die Auffassung der Finanzverwaltung in Abschnitt 13b.11 Abs. 2 Satz 2 UStAE, wonach Unternehmer, die ein im Inland gelegenes Grundstück besitzen und steuerpflichtig vermieten, als im Inland ansässig zu behandeln seien, ließ das FG nicht gelten. Nach alledem erübrigte es sich auch, der Frage nachzugehen, ob sich die Klägerin den durch den Zwangsverwalter ausgeübten Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 9 UStG zurechnen lassen müsse und ob sie ihn tatsächlich wirksam widerrufen habe.
Hinweis
Die österreichischen Umsatzsteuerrichtlinien sahen bis vor wenigen Jahren eine mit Abschnitt 13b.11 Abs. 2 Satz 2 UStAE fast wortidentische Regelung vor. Nachdem der EuGH im Jahr 2021 auf die Vorlage eines österreichischen Gerichts in seinem Urteil in der Rechtssache „Titanium“ entschieden hatte, dass eine Betriebsstätte einer personellen Ausstattung bedürfe, passte die österreichische Finanzverwaltung ihre Richtlinien an und der österreichische Gesetzgeber ergänzte das Umsatzsteuergesetz dahin, dass die Grundstücksvermietung nicht der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers unterliegt. In Deutschland steht eine Reaktion der Finanzverwaltung und des Gesetzgebers bislang aus. Mit dem vorliegenden Urteil des FG Münster wurde die genannte Verwaltungsregelung nun auch von einem deutschen Gericht verworfen – eine Entwicklung, die die Finanzverwaltung nicht auf Dauer ignorieren können dürfte. Eine Befassung des Bundesfinanzhofs (BFH) mit diesem Fall wird es aber wohl nicht geben: Das FG Münster hat die Revision nicht zugelassen, von einer Nichtzulassungsbeschwerde wurde nichts bekannt.
Für nicht im Inland ansässige Unternehmer, die ein im Inland gelegenes Grundstück besitzen und steuerpflichtig vermieten, führt das mehr denn je zu einem Vorsteuerrisiko für Eingangsleistungen in Zusammenhang mit der steuerpflichtigen Grundstücksvermietung. Bisher werden sie durch Abschnitt 13b.1 Abs. 2 Satz 2 ff. UStAE auf das Veranlagungsverfahren verwiesen, auch die fast wortgleiche Regelung des Abschnitts 18.10 Abs. 1 Satz 4 UStAE nimmt sie bislang ausdrücklich von der Anwendung des Vorsteuervergütungsverfahrens aus. Das könnte sich ändern. Damit können sich einem Unternehmer zahlreiche Probleme verfahrensrechtlicher, aber auch materieller Natur stellen: So sind Anträge im Vorsteuervergütungsverfahren (sofern überhaupt statthaft) nicht nur vergleichsweise formstreng, sondern auch knapp befristet (zum 30. Juni des Folgejahrs für Nicht-EU-Unternehmer, zum 30. September des Folgejahrs für EU-Unternehmer), was für nicht im Inland ansässige Vermieter zum Vorsteuerverlust infolge Fristversäumnis führen kann. Außerdem kann unter Umständen eine korrekte Ausübung der Option zur Steuerpflicht infrage stehen. Auch sollte dann generell die Prüfung von Eingangsrechnungen mit deutscher Vorsteuer besonders sorgfältig erfolgen, denn eine eventuelle Annahme einer Betriebsstätte als Anknüpfungspunkt für einen Leistungsort der Eingangsleistung fällt damit weg.
Der zweite Teil der Entscheidung des FG Münster befasst sich mit der Frage, ob die Klägerin die Steuer infolge unrichtigen Steuerausweises schuldete. Denn nach Auffassung des Finanzamts hätte sie selbst im Fall, dass sie gesetzlich keine Steuer schulden sollte, in den Verträgen, die als Rechnung dienten, Umsatzsteuer unrichtig ausgewiesen (§ 14c Abs. 1 UStG). Nach Auffassung des FG traf auch das nicht zu. Die in einer Urkunde als Aussteller bezeichnete Person könne in Anspruch genommen werden, wenn sie in irgendeiner Weise an der Erstellung der Urkunde mitgewirkt habe oder wenn ihr die Ausstellung zuzurechnen sei. Beides sei hier nicht der Fall gewesen. Allerdings kam hier der Klägerin der Umstand zu Hilfe, dass das feststellungsbelastete Finanzamt nichts dazu vorgetragen hatte, dass und inwieweit die Mietverträge nach Beendigung der Zwangsverwaltung von den einzelnen Eigentümern auf die Klägerin übergegangen waren. Daher konnte das Gericht „jedenfalls keine positive Feststellung dazu treffen, dass ein weiterer Übergang der Mietverträge gemäß § 566 BGB auf die Klägerin stattgefunden hat“. Anderenfalls hätte die Klägerin „diese Verträge gegen sich als Rechnungen möglicherweise gelten lassen“ müssen.
Fundstellen
FG Münster 15 K 399/23 U, Urteil vom 29. Oktober 2024;
EuGH C-931/19 „Titanium“, Urteil vom 3. Juni 2021
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