Aus der Rechtsprechung
Steuerbarkeit von Geschäftsführungs-leistungen einer Praxisgemeinschaft

Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) werden Geschäftsführungsleistungen, die ein Gesellschafter erbringt, nicht zwangsläufig im nächsten Schritt von der Gesellschaft an (alle oder die übrigen) Gesellschafter erbracht. Der BFH äußert sich zudem zu Einzelheiten der Steuerbefreiung des früheren § 4 Nr. 14 lit. d UStG, einer früheren partiellen Umsetzung der Steuerbefreiung für selbstständige Zusammenschlüsse (inzwischen siehe § 4 Nr. 29 UStG).
Sachverhalt
Die Klägerin war eine Praxisgemeinschaft, die von den Ärzten A und B errichtet worden war. Beide Ärzte waren jeweils zur Hälfte beteiligt. Die Klägerin arbeitete nach dem Kostendeckungsprinzip und sollte keine Gewinne erwirtschaften. Die Gemeinschafter leisteten monatliche Beiträge zur Deckung der Kosten. Die Geschäftsführung der Klägerin stand grundsätzlich allein A zu, wofür er von der Klägerin auch vergütet wurde. Jeder Gemeinschafter übte nach dem Gemeinschaftsvertrag seine ärztliche Tätigkeit in eigenem Namen und auf eigene Rechnung aus. Die Klägerin übernahm die zuvor bei A beschäftigten medizinischen Fachangestellten sowie eine Büro- und Rezeptionskraft und stellte zusätzlich eine Raumpflegerin ein. Sie schloss außerdem jeweils mit einer Krankengymnastin, einer Heilpraktikerin und einer Diplompsychologin, die in den Praxisräumen tätig wurden, einen Vertrag über eine freie Mitarbeit ab, die die vereinbarte Tätigkeit in den Praxisräumen ausübten. A rechnete im eigenen Namen über die Tätigkeit der freien Mitarbeiterinnen durch Gutschriften ab. Umsatzsteuer wies er darin nicht aus. Die Klägerin zahlte die Vergütungen an die drei freien Mitarbeiterinnen aus.
Das Finanzamt sah die Klägerin als Unternehmerin an, die an ihre Gemeinschafter steuerbare Leistungen erbracht habe. Diese Leistungen seien umsatzsteuerpflichtig, soweit sie nicht in der steuerfreien Überlassung von Räumlichkeiten bestünden oder unmittelbar für steuerfreie Heilbehandlungen verwendet worden seien. Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 lit. d UStG für weitere Leistungen der Klägerin an die Gemeinschafter lehnte es ab. Was die Geschäftsführungsleistungen anging, so habe die Klägerin die von ihr entgoltenen Leistungen des A dem B gegen Kostenerstattung zur Verfügung gestellt und damit eine entgeltliche Leistung ausgeführt. Diese Leistung sei nur teilweise umsatzsteuerfrei.
Entscheidung
Nach Auffassung des BFH hatte es sich bei der Gemeinschaft nicht um eine Innengesellschaft, sondern um eine nach außen auftretende Gesellschaft gehandelt, die als Unternehmer selbst steuerbare Leistungen an A und B erbracht habe.
Die Geschäftsführungsleistungen des A an die Klägerin gehörten nach Meinung des Gerichts nicht zu den von der Klägerin erbrachten Leistungen. Die Geschäftsführungsleistungen des A hätten der Innenorganisation der Klägerin gedient und „nicht ohne Weiteres“ zu einer Leistungsabgabe durch die Klägerin an den B oder an beide Gesellschafter geführt. Die Klägerin sei insofern Leistungsempfängerin, nicht Leistende. A führe nicht die Geschäfte des B, sondern die Geschäfte der Klägerin. Dadurch, dass die Klägerin Geschäftsführungsleistungen von A bezog, habe sie A oder B keinen konkreten (verbrauchsfähigen) Vorteil verschafft. Anderenfalls würde jede Gesellschaft, die Geschäftsführungsleistungen bezieht, dadurch auch eine Geschäftsführungsleistung an ihre Gesellschafter erbringen, und A wäre für dieselbe Leistung zugleich Leistender an die Klägerin und (anteiliger) Leistungsempfänger.
Was die vor dem BFH noch streitigen Leistungen der Klägerin an A und B (Raumpflegerin, freie Mitarbeiterinnen) anging, so hatte sich die Klägerin nach Auffassung des BFH erfolgreich direkt auf die Richtlinienvorschrift des Art. 132 Abs. 1 lit. f MwStSystRL berufen. Der BFH stimmte ihr darin zu, dass die Voraussetzungen der unionsrechtlichen Steuerbefreiung vorlagen: Die Klägerin als Praxisgemeinschaft sei ein selbstständiger Zusammenschluss von Personen, die eine Tätigkeit ausübten, die von der Steuer befreit sei. Sie verlange von ihren beiden Mitgliedern A und B lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten (Aufwendungsersatz). Wettbewerbsverzerrungen lägen nicht vor. Außerdem seien die Leistungen der Klägerin für unmittelbare Zwecke der Ausübung der steuerfreien Tätigkeiten des A und B erbracht worden. Ob die von der Bürokraft erbrachten Leistungen steuerpflichtig waren, ließ der BFH offen – wobei er zusätzlich andeutet, dass in Bezug auf die Klägerin ohnehin die Kleinunternehmerregelung gegolten haben könne.
Hinweis
Im vorliegenden Fall ließ der BFH (mangels Streiterheblichkeit) offen, ob es sich bei den Geschäftsführungsleistungen des A überhaupt um steuerbare Leistungen gehandelt hatte: Offenbar wollte er nicht ausschließen, dass es sich um einen nichtsteuerbaren Gesellschafterbeitrag gehandelt haben konnte.
Der BFH spricht die Möglichkeit an, dass der auf B entfallende, anteilige Aufwendungsersatz „für die Geschäftsführung des A“ (genauer: die von B an die Gesellschaft entrichteten Zahlungen zum Ausgleich der unter anderem für Geschäftsführerleistungen des A getätigte Aufwendungen) ein weiteres Entgelt des B für die Leistungen der Klägerin an B sein könnten. Er beschränkt sich aber mit einem knappen Verweis auf seine weiteren Ausführungen, womit er vermutlich meint, dass die noch streitigen Leistungen der Gesellschaft an B ohnehin steuerfrei gewesen seien.
Fundstelle
BFH XI R 37/21, Beschluss vom 4. September 2024

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