Vom Europäischen Gerichtshof
Vorsteuerabzug bei Konzernumlagen
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich mit konzerninternen Dienstleistungen befasst, die für mehrere Konzerngesellschaften erbracht werden.
Sachverhalt
Die rumänische Klägerin bezog von Gesellschaften ihrer Unternehmensgruppe allgemeine Verwaltungsdienstleistungen, insbesondere im Zusammenhang mit IT, Personalwesen, Marketing, Buchhaltung und Beratung. Diese allgemeinen Verwaltungsdienstleistungen wurden von nicht in Rumänien ansässigen Unternehmen erbracht und die Klägerin wandte das sogenannte Reverse-Charge-Verfahren an. Auch andere Unternehmen der Gruppe nahmen diese Leistungen in Anspruch.
Im Zuge einer Steuerprüfung versagte die rumänische Finanzverwaltung den Vorsteuerabzug aus diesen Leistungen, weil ein Zusammenhang zwischen den erworbenen Dienstleistungen und den besteuerten Umsätzen der Klägerin nicht nachgewiesen worden sei. Die Dienstleistungen seien an mehrere Gesellschaften der Gruppe erbracht worden. Somit seien sie anderen Mitgliedern dieser Gruppe oder dieser Gruppe als solcher zugutegekommen. Zwar seien die Kosten der Dienstleistungen zwischen den betreffenden Gesellschaften aufgeteilt worden. Dennoch hätten sie der Klägerin nicht in Rechnung gestellt werden dürfen, da sie für sie „nicht erforderlich“ gewesen seien.
Entscheidung
Der EuGH führte aus, dass Ausgaben des Steuerpflichtigen, soweit sie nicht mit den vom Steuerpflichtigen selbst bewirkten Umsätzen, sondern mit Umsätzen eines Dritten zusammenhängen, kein Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen könnten: Insoweit bestehe kein (für den Vorsteuerabzug nötiger) Zusammenhang zwischen den empfangenen Dienstleistungen und den besteuerten Umsätzen. Das Vorlagegericht müsse also insbesondere anhand der Dienstleistungsverträge sowie der wirtschaftlichen und geschäftlichen Gegebenheiten ermitteln, inwieweit die betreffenden Dienstleistungen tatsächlich erbracht worden seien, um es dem Steuerpflichtigen zu ermöglichen, seine besteuerten Umsätze zu bewirken.
Der Umstand, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verwaltungsdienstleistungen an mehrere Empfänger der Unternehmensgruppe gleichzeitig erbracht wurden, schien dem EuGH zwar unerheblich. Unerheblich sei es auch, ob der Erwerb der Verwaltungsdienstleistungen erforderlich oder zweckmäßig war, weil das Vorsteuerabzugsrecht nicht von einem Kriterium der wirtschaftlichen Rentabilität abhänge. Bei an mehrere Empfänger zugleich erbrachten Verwaltungsdienstleistungen müsse aber der vom Steuerpflichtigen getragene Anteil der Kosten für diese Dienstleistungen tatsächlich den Dienstleistungen entsprechen, die der Steuerpflichtige für die Zwecke seiner eigenen besteuerten Umsätze in Anspruch genommen hat.
Hinweis
Es ist wenig überraschend, dass der EuGH den Vorsteuerabzug nicht von Wirtschaftlichkeits- und Zweckhaftigkeitserwägungen abhängig machen will: Bereits in seinem Urteil in der Rechtssache „Amper Metal“ hatte der EuGH es abgelehnt, den Vorsteuerabzug aus Werbeaufwendungen (Autoaufkleber auf Fahrzeugen, die an Autorennen teilnahmen) allein aus dem Grund zu verweigern, dass der Umsatz keine Steigerung erfahren hatte oder die Aufwendungen zu einem Preis über dem Marktwert bezogen wurden. Allerdings kann in solchen Fällen eine Prüfung angezeigt sein, ob es sich nicht eigentlich um Repräsentationsaufwendungen handelt, für die der Vorsteuerabzug durchaus beschränkt oder ganz ausgeschlossen werden darf.
Darin erschöpft sich das Urteil allerdings nicht. Den Vorsteuerabzug aus Aufwendungen eines Unternehmers, die Dritten für deren eigene Umsätze zugutekommen, hat der EuGH bereits in früheren Urteilen versagt: So hat er im Urteil „Finanzamt R“ den Vorsteuerabzug einer Holding aus Sacheinlagen in eine Tochter abgelehnt, weil die Aufwendungen der Holding für die Einlage nicht mit den Umsätzen der Holding, sondern ihrer Töchter (und damit mit den Umsätzen Dritter) zusammenhingen. Auch für den Leistungsempfänger gilt offenbar der Grundsatz, dass die Vorsteuer nur abziehbar ist, soweit sie auf die eigene geschäftliche Betätigung entfällt. Der übernommene Kostenanteil müsse darum tatsächlich den Dienstleistungen entsprechen, die der Steuerpflichtige für die Zwecke seiner eigenen besteuerten Umsätze in Anspruch genommen hat.
Das alles könnte so zu verstehen sein, dass die Verteilung von Kosten von Dienstleistungen, die mehreren Dienstleistungsempfängern zugutekommen, nach geeigneten Kostenschlüsseln erfolgen sollte ‒ sodass nicht zum Beispiel einzelne Konzerngesellschaften Leistungen für den Bedarf anderer Konzerngesellschaften systematisch quersubventionieren. Eine Umlage anhand eines Umsatzschlüssels, wie es häufig bei Konzernumlagen vorkommt, könnte damit angreifbar werden.
Im Fall einer zentral durch eine Konzerngesellschaft eingekauften, danach an einzelne Konzerngesellschaften weitergereichten Leistung dürfte sich die Einkaufsgesellschaft selbst keinen Problemen mit dem Vorsteuerabzug gegenübersehen, soweit die Weiterbelastung selbst als steuerbarer und steuerpflichtiger Umsatz angesehen werden kann. Hier kommt es jedoch sehr auf den Einzelfall an, weil die umsatzsteuerliche Behandlung der Besorgung von Leistungen für andere Konzerngesellschaften sich nicht in allen Fällen nach Kommissionsgrundsätzen richten muss. Außerdem fragt sich, ob eine empfangende Gesellschaft eine Leistung auch dann in vollem Umfang selbst bezieht, wenn diese Leistung teilweise mit den Umsätzen eines Dritten zusammenhängt.
Ob (und mit welchem Ergebnis) die Rechtsprechung und Finanzverwaltung diese Aussagen aufgreifen, bleibt abzuwarten. Denkbar wäre zum Beispiel, dass die Finanzverwaltung das zum Anlass nimmt, den vollen Vorsteuerabzug aus solchen Dienstleistungen in Frage zu stellen, wenn der Aufteilungsschlüssel ihr nicht sachgerecht erscheint.
Etwas anderes kann dann gelten, wenn zwar die Aufwendungen auch einem Dritten zugutekommen, aber der Vorteil des Dritten gegenüber dem Bedarf des Unternehmens des Steuerpflichtigen „nebensächlich“ ist. Dem Urteil des EuGH in der Rechtssache „Vos Aannemingen“ lag der Sachverhalt zugrunde, dass ein Unternehmer, dessen Geschäft in der Errichtung von Wohnungen bestand, Eingangsleistungen in Form von Werbung, Verwaltungskosten und Maklergebühren bezog. Diese Kosten kamen aber auch den jeweiligen Grundstückseignern zugute, die (offenbar parallel zur Tätigkeit der Klägerin) die Miteigentumsanteile an den betreffenden Wohnungen verkauften. Das sollte nicht vorsteuerschädlich sein, sofern der Vorteil der Dritten gegenüber dem Bedarf des Steuerpflichtigen nur als nebensächlich anzusehen war.
Fundstellen
EuGH C-527/23 „Weatherford Atlas Gip”, Urteil vom 12. Dezember 2024
EuGH C-334/20 „Amper Metal“, Urteil vom 25. November 2021; C-98/21 „Finanzamt R“, Urteil vom 8. September 2022; C-405/19 „Vos Aannemingen“, Urteil vom 1. Oktober 2020
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