Aus der Finanzverwaltung
BMF-Schreiben zum Vorsteuer-abzug bei Kreditinstituten
Kurz vor Weihnachten hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ein umfangreiches Schreiben zum Vorsteuerabzug bei Kreditinstituten erlassen. Kern dieses Schreibens ‒ aber keineswegs sein einziger Gegenstand ‒ ist eine umfangreiche Überarbeitung eines fast zwanzig Jahre alten Schreibens zum sogenannten Bankenschlüssel. Obwohl das Schreiben sich (nicht nur in der Überschrift) explizit auf Kreditinstitute bezieht, könnte es auch für andere Finanzdienstleister bedeutsam werden.
Vorsteueraufteilung: Auswahl des Aufteilungsschlüssels
Das BMF rekapituliert die bereits in früheren Schreiben (z. B. vom 13. Februar 2024) genannten Prinzipien bei der Auswahl des Aufteilungsschlüssels für Zwecke der Vorsteueraufteilung (§ 15 Abs. 4 UStG), insbesondere:
- Die Ermittlung der abziehbaren Vorsteuer nach dem Gesamtumsatzschlüssel, das heißt ein einziger Aufteilungsschlüssel für alle gemischt verwendeten Vorsteuerbeträge auf der Basis von Umsätzen, ist nur zulässig, wenn kein anderer präziserer (sachgerechter) Aufteilungsschlüssel in Betracht kommt.
- Ein sachgerechter Aufteilungsschlüssel darf keine „selektiven Elemente“ enthalten. Als (negatives) Beispiel zieht das BMF erneut die bereits durch den Bundesfinanzhof (BFH) verworfene sogenannte „Philipowski-Methode“ heran, die auf einer Kombination aus Umsatzschlüssel und inhaltlich beschränktem Personalschlüssel beruht.
- Im Falle mehrerer präziserer Aufteilungsschlüssel obliegt die Wahl dem Unternehmer. Es ist nicht zwingend die präziseste Methode anzuwenden.
- Der Finanzverwaltung steht eine Prüfung zu, ob der gewählte Aufteilungsmaßstab sachgerecht ist.
- Das BMF-Schreiben teilt mit, dass im Falle eines nicht sachgerechten Aufteilungsmaßstabs die Finanzverwaltung einen von ihr ermittelten Schlüssel anwenden oder den bestehenden Aufteilungsmaßstab punktuell anpassen kann, wenn nicht der Unternehmer einen sachgerechten und präziseren Aufteilungsschlüssel wählt.
Ein Aufteilungsschlüssel, der nicht dem gesamtunternehmensbezogenen Umsatzschlüssel entspricht, ist auf die zweite Nachkommastelle aufzurunden. Im Jahresvergleich schwankende Abzugssätze führen zu einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach Maßgabe des § 15a UStG.
Dokumentation und Aufzeichnungspflichten
Das BMF-Schreiben legt den Kreditinstituten ausdrücklich nahe, eine Dokumentation der gewählten Vorsteueraufteilungssystematik anzufertigen, die dem Nachweis der Sachgerechtigkeit dieser Systematik dient und die neben dem Ergebnis der Analyse, ob eine Vorsteueraufteilung sachgerecht ist, auch eine Erwägung zur Auswahl und Umsetzung der Vorsteueraufteilung umfasst. Offenbar erwartet die Finanzverwaltung somit eine materiell-rechtliche Analyse, die auch die gerade erläuterten Prinzipien zur Auswahl des Aufteilungsschlüssels berücksichtigt. Wie es scheint, leitet die Finanzverwaltung dies aus den Aufzeichnungspflichten des § 22 Abs. 3 UStG ab.
Zurechnung von Vorsteuerbeträgen: Nutzung von Segment- und Sonderschlüsseln anstelle eines einzigen Aufteilungsschlüssels
Die Ausführungen des BMF zur Zurechnung von Vorsteuerbeträgen bilden den für die Praxis wohl wichtigsten Punkt des Schreibens. Oftmals verwenden Kreditinstitute für die Ermittlung der abzugsfähigen Vorsteuer ihrer gemischt verwendeten Eingangsleistungen einen (einzigen) Aufteilungsmaßstab. Diese Vorgehensweise scheint das BMF künftig nicht mehr akzeptieren zu wollen. Vielmehr sollen Kreditinstitute nach den Vorstellungen des BMF eine erweiterte Zurechnung ihrer Eingangsleistungen bzw. Vorsteuerbeträge durchführen. Hierfür sieht das BMF eine zusätzliche Ebene zur Zurechnung von Eingangs- zu Ausgangsleistungen vor, die zwischen der direkten Zurechnung von Vorsteuerbeträgen und der Nutzung eines (Residual-)Schlüssels für (alle) gemischt verwendeten Eingangsleistungen angesiedelt ist. Nach der Auffassung des BMF kommen für die zusätzliche Ebene insbesondere eine Segmentierung des Unternehmens und die Nutzung spezifischer Segmentschlüssel oder die Anwendung von Sonderschlüsseln in Betracht. Im Ergebnis zielt das BMF auf eine Reduzierung der Aufteilung gemischt verwendeter Vorsteuerbeträge nach einem (einzigen) unternehmensweiten Gesamtschlüssel zugunsten spezifischerer – und damit präziserer – Segment- bzw. Sonderschlüssel ab.
Konzeptioneller Kern einer Segmentierung ist die Aufteilung des Kreditinstituts in einzelne organisatorisch abgrenzbare Teile, was sich danach bestimmen soll, ob das jeweilige Segment abgrenzbare Tätigkeiten ausführt. Neben offensichtlich organisatorisch abgrenzbaren Einheiten bzw. Teilbereichen des (umsatzsteuerlichen) Unternehmens wie Organgesellschaften, ausländischen Betriebsstätten und Filialen führt das BMF-Schreiben Geschäftsbereiche (z. B. Investmentbanking, Privatkundengeschäft, Firmenkundengeschäft), Abteilungen (z. B. Versicherungsvermittlung, Immobilienverwaltung) und Produktgruppen (z. B. Kreditgeschäft, Depotgeschäft, Immobilienhandel, Windkraftanlagen, Zertifikathandel) als Beispiele für mögliche Segmente an.
Aufbauend auf der Bildung von Segmenten soll sich die Zurechnung unternehmerisch verwendeter Eingangsleistungen bzw. Vorsteuerbeträge – vereinfacht ausgedrückt – in drei Stufen vollziehen:
- direkte Zurechnung zu vorsteuerabzugsschädlichen bzw. -unschädlichen Ausgangsleistungen,
- (direkte) Zurechnung zu einem oder mehreren Segmenten bzw. den jeweiligen Ausgangsleistungen des Segments,
- Aufteilung der verbleibenden Vorsteuerbeträge anhand eines Residualschlüssels.
Im Hinblick auf die Differenzierung der Zurechnung zwischen den Stufen 2 und 3 ist anzumerken, dass das BMF eine anteilige Zurechnung von Eingangsleistungen zu mehreren Segmenten verlangt. Betrifft eine Eingangsleistung mehrere Segmente, soll damit die Eingangsleistung – gegebenenfalls im Schätzwege – den betroffenen Segmenten anteilig zugerechnet werden.
Die Durchführung des Vorsteuerabzugs auf Segmentebene setzt die Berechnung spezifischer Segmentschlüssel voraus. Die Ermittlung des abzugsfähigen Anteils der segmentbezogenen Eingangsleistungen erfolgt daher mittels des jeweiligen Segmentschlüssels.
Nach diesem Konzept kommt die Stufe 3, das heißt eine Aufteilung nach einem Residualschlüssel, nur für Eingangsleistungen in Betracht, für die eine (anteilige) Segmentzurechnung ausscheidet. Diese sehr kleinteilige Segmentierung nach den Grundsätzen des BMF-Schreibens dürfte zu einer erheblichen Einschränkung des Residualschlüssels/gesamtunternehmensbezogenen Schlüssels führen. Es ist zu befürchten, dass nach der Vorstellung des BMF künftig lediglich Gemeinkosten der Stufe 3 zuzurechnen sein werden. Dies wird einige Kreditinstitute vor erhebliche Herausforderungen stellen, sei es bei der Implementierung einer entsprechenden Konzeption oder auch in der laufenden Anwendung der erweiterten Zurechnung.
Grenzüberschreitende Strukturen
Das BMF-Schreiben enthält ferner Ausführungen zum Vorsteuerabzug bei grenzüberschreitenden Unternehmensstrukturen. Dies bezieht sich auf Situationen, in denen Stammhaus und „unselbstständige“ ausländische Betriebsstätte einander sonstige Leistungen als nicht steuerbare Innenumsätze erbringen. Wie das BMF mitteilt, wird zur Umsetzung der Grundsätze der Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) „Skandia“ und „Danske Bank“ ein gesondertes BMF-Schreiben ergehen.
Stehen Eingangsleistungen einer inländischen Betriebsstätte im Zusammenhang mit Ausgangsleistungen des „ausländischen Unternehmers“ (gemeint ist wohl das ausländische Stammhaus), besteht ein Vorsteuerabzugsrecht nur, wenn die Ausgangsleistungen sowohl im Ausland als auch (fiktiv) im Inland steuerpflichtig sind. Das BMF setzt somit den sogenannten Doppeltest um, der auf das EuGH-Urteil „Morgan Stanley“ zurückgeht. Dasselbe soll nach dem BMF-Schreiben für den umgekehrten Fall gelten, das heißt für den Leistungsbezug einer ausländischen Betriebsstätte bei inländischem Stammhaus.
Diese Sichtweise stellt eine erhebliche Verschärfung der aktuellen Rechtsauffassung dar, denn § 15 Abs. 2 Nr. 2 UStG stellt ausschließlich auf das deutsche Recht ab, wohingegen die umsatzsteuerliche Behandlung im Ausland irrelevant ist.
Anwendungs- bzw. Übergangsregelung
Das BMF gewährt eine Nichtbeanstandungsfrist für die „Zeit bis zum 31. Dezember 2025“. Es bleibt unklar, ob hiermit alle Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2025 gemeint sind oder die Vorsteueraufteilungen, die ein Steuerpflichtiger bis zu diesem Zeitpunkt vornimmt.
Hinweis
Das BMF überarbeitet in umfangreicher Weise die unter anderem in einem Schreiben des BMF an die Bankenverbände vom 12. April 2005 niedergelegten Grundsätze zum sogenannten Bankenschlüssel. In zahlreichen Fällen fasst es die Regelungen neu, wobei es (insbesondere im Zusammenhang mit der Vorsteueraufteilung) eine Verschärfung in der Anwendung mit sich bringt. Im Einzelfall kann dies Anpassungen der bestehenden Vorsteuerabzugskonzeptionen von Kreditinstituten erforderlich machen.
Kreditinstitute dürften in dieser Hinsicht im Ergebnis mit einem erheblichen administrativen Mehraufwand zu rechnen haben. Von der angesprochenen kleinteiligen Segmentierung und ähnlichen Detailfragen abgesehen, werden sie in der Praxis oftmals nicht über eine formale Dokumentation der Vorsteueraufteilungssystematik mit Elementen einer materiell-rechtlichen Analyse verfügen – allein schon die Erstellung einer solchen Dokumentation oder auch ihre Überarbeitung bringt einen zusätzlichen administrativen Aufwand mit sich. Es ist auch zu erwarten, dass dieses Schreiben ein dominierendes Thema in künftigen Betriebsprüfungen sein wird.
Fundstellen
BMF-Schreiben vom 9. Dezember 2024;
BMF-Schreiben an die Bankenverbände vom 12. April 2005;
BMF-Schreiben vom 13. Februar 2024;
EuGH C-7/13 „Skandia“, Urteil vom 17. September 2014; C-812/19 „Danske Bank“, Urteil vom 11. März 2021; C-165/17 „Morgan Stanley“, Urteil vom 24. Januar 2019
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