Aus der Rechtsprechung
Vermittlung noch unbestimmter Leistungen
In einem vom Bundesfinanzhof (BFH) entschiedenen Verfahren stellte sich die Frage der Steuerbefreiung einer (einheitlichen) Vermittlung von Leistungen, von denen im Zeitpunkt der Vermittlung teilweise noch unklar war, worin sie bestehen und ob sie als Umsätze für die Seeschifffahrt steuerfrei sein würden.
Sachverhalt
In einen Hafen einlaufende Seeschiffe bedürfen der Leistungen vor Ort ansässiger Unternehmer zur Erfüllung von Pflichten im Zusammenhang mit dem Ein- und Auslaufen, für notwendige Reparaturen, zur Verpflegung der Besatzung usw. Dazu kontaktieren die Schifffahrtsgesellschaften einen sogenannten Klarierungsagenten (Schiffsagenten), der seinerseits im Namen und für Rechnung der jeweiligen Schifffahrtsgesellschaften Unternehmer wie die Klägerin beauftragt, diese Leistungen an die Schifffahrtsgesellschaften zu erbringen. Teilweise werden diese Leistungen von der jeweiligen Schifffahrtsgesellschaft oder Schiffsbesatzung nicht bereits beim Einlaufen, sondern erst während der Liegezeit beauftragt.
Die Klägerin erbrachte in diesem Rahmen jeweils bis zu 70 unterschiedliche Leistungen. Sie rechnete direkt gegenüber der jeweiligen Schifffahrtsgesellschaft ab, dabei differenzierte sie zwischen steuerpflichtigen und (als Umsätze für die Seeschifffahrt, § 8 Abs. 1 UStG) steuerfreien Leistungen. Dem jeweiligen Klarierungsagenten erteilte sie eine Gutschrift über eine anteilige Vermittlungsprovision. Hierbei wies sie Umsatzsteuer auf die gesamte Vermittlungsleistung aus, auch soweit die Provision auf die Erbringung steuerfreier Umsätze berechnet wurde.
Das Finanzamt und in der Folge das erstinstanzliche Finanzgericht verweigerten den Vorsteuerabzug aus der Gutschrift, soweit sich die Vermittlung des Klarierungsagenten auf steuerfreie Leistungen der Klägerin bezog. Nach ihrer Auffassung war auch die Vermittlung insoweit steuerfrei zu stellen (nach § 4 Nr. 5 Buchst. a i. V. m. §§ 4 Nr. 2, 8 Abs. 1 UStG). Aus diesem Grund sei die Steuer auf der Gutschrift teilweise zu Unrecht ausgewiesen und insoweit nicht als Vorsteuer abziehbar. Nach ihrer Auffassung war die Vermittlungsleistung des Klarierungsagenten keine einheitliche Leistung, vielmehr habe der Klarierungsagent gegenüber der Klägerin mehrere eigenständige Vermittlungsleistungen erbracht.
Entscheidung
Der BFH widersprach in beiden Punkten: Es handle sich jeweils (für das jeweilige Seeschiff) erstens um eine einheitliche Vermittlungsleistung, die zweitens insgesamt steuerpflichtig gewesen sei. Im Ergebnis konnte die Klägerin den Vorsteuerabzug aus der Gutschrift also in vollem Umfang geltend machen, weil die Steuer zu Recht ausgewiesen war.
Der BFH stellte fest, dass es sich jeweils um eine einheitliche Vermittlungsleistung gehandelt habe, die dem von allen Beteiligten verfolgten Zweck entsprach, die Abfertigung und Versorgung der Seeschiffe innerhalb der geplanten Liegezeit zu gewährleisten. Dabei sei es für den Klarierungsagenten unerheblich (und überwiegend auch unklar) gewesen, welche Leistungen im Einzelnen angefordert werden würden. Der BFH betonte, dass eine fehlende Konkretisierung der Leistungen im Zeitpunkt der Vermittlung für die Dienstleistung des Klarierungsagenten „geradezu typisch“ sei.
Außerdem entschied der BFH, dass diese einheitliche Vermittlungsleistung in vollem Umfang steuerpflichtig sei. Für eine Steuerbefreiung der Vermittlung von Umsätzen für die Seeschifffahrt reiche es nicht aus, dass lediglich ein geschäftlicher Kontakt zu einem Kunden vermittelt werde, in dessen Folge es zu einer Vielzahl verschiedener, zum Zeitpunkt der Vermittlung noch nicht konkretisierter Umsätze komme, die sowohl steuerpflichtig als auch steuerfrei sein könnten. Er schloss auch eine Aufteilung der Vermittlungsleistung in einen steuerpflichtigen und einen steuerfreien Teil grundsätzlich aus.
Hinweis
Es fragt sich, ob der BFH anders entschieden hätte, wenn alle Leistungen bereits im Zeitpunkt der Vermittlung bekannt gewesen wären: Gewöhnlich sind einheitliche Leistungen auch einheitlich steuerfrei bzw. steuerpflichtig zu stellen und nach ausdrücklicher Bekundung des BFH konnte hier auch keine Aufteilung stattfinden. Allerdings hätte der BFH angesichts der beschriebenen besonderen Interessenlage der Parteien in einem solchen Fall möglicherweise erst gar keine einheitliche Leistung angenommen.
Die Entscheidung dürfte sich auf andere Tatbestände des § 4 Nr. 5 Buchst. a UStG übertragen lassen. Denkbar wären zum Beispiel Sachverhalte einer (einheitlichen) Vermittlung von Lieferungen, bei denen im Vermittlungszeitpunkt noch nicht absehbar ist, wie weit sie im Sinne des § 6 UStG Gegenstand einer Ausfuhr sein werden.
Fundstelle
BFH V R 4/22, Urteil vom 18. Januar 2024
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