Vom Europäischen Gerichtshof
Weiterverkauf von Beförderungs-leistungen als Reiseleistung
Übernachtungsleistungen fallen auch dann unter die „Sonderregelung für Reisebüros“ (die keineswegs nur für Reisebüros gilt), wenn diese Dienstleistungen lediglich mit Nebenleistungen oder nicht mit zusätzlichen Leistungen einhergehen. Nach einem (bislang) nicht auf Deutsch veröffentlichten Beschluss des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) soll das auch für Beförderungsleistungen gelten.
Sachverhalt
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens kaufte bei Fluggesellschaften Flugtickets für Flüge in der EU, die sie dann an natürliche Personen verkaufte – in Verbindung mit weiteren Dienstleistungen wie zum Beispiel der Buchung, Unterstützung, Beratung und Information der Reisenden. Diese Transaktionen versteuerte sie aufgrund eines im rumänischen Recht vorgesehenen Wahlrechts nach allgemeinen Vorschriften, d.h. die Klägerin ging davon aus, dass sie als Kommissionärin steuerbefreite grenzüberschreitende Personenbeförderungen ausgeführt hatte. Die rumänischen Steuerbehörden waren der Auffassung, dass die Sonderregelung für Reisebüros auf diese Dienstleistungen anwendbar war, so dass zumindest die Marge der rumänischen Umsatzsteuer unterlag.
Entscheidung
Der EuGH zog zwei frühere Urteile heran, die in der Hauptsache von Übernachtungsleistungen gehandelt hatten. Im Urteil „Alpenchalets Resorts“ hatte er bereits angedeutet, dass ein „Transfer in das Bestimmungsland“ für sich genommen für die Anwendung der Sonderregelung ausreichen könne. Diesem Urteil zufolge genügte zudem die bloße Bereitstellung von Ferienunterkünften durch das Reisebüro zur Anwendbarkeit der Sonderregelung – auch ungeachtet weiterer Leistungen, die dieser Bereitstellung von Unterkünften hinzuträten. Im „Hotelkonsolidierer-Urteil“ hatte der EuGH ausgeführt: Eine Leistung, die darin bestehe, Beherbergungsdienstleistungen bei anderen Steuerpflichtigen zu kaufen und sie an andere Wirtschaftsteilnehmer weiterzuverkaufen, falle auch dann unter die Sonderregelung, wenn diese Dienstleistungen nicht mit zusätzlichen Leistungen verbunden sind.
Der EuGH überträgt die Grundsätze beider Urteile auf Beförderungsleistungen: Nach seiner Auffassung unterfällt die bloße Bereitstellung von Personenbeförderungsdienstleistungen, die von steuerpflichtigen Dritten erworben wurden, der Sonderregelung – und zwar unabhängig davon, ob diese Bereitstellung mit zusätzlichen Dienstleistungen einhergeht oder ob der Unternehmer seinen Kunden auch Informations- und Beratungsdienstleistungen anbietet. In einem weiteren Leitsatz teilt der EuGH mit: Unterfallen Leistungen der Sonderregelung für Reisebüros, so sei ein Wahlrecht zur Besteuerung internationaler Personenbeförderungsleistungen nach allgemeinen Vorschriften unionsrechtswidrig.
Hinweis
Mit diesem Beschluss wendet sich der EuGH im Ergebnis gegen die bisherige Verwaltungsauffassung. Demnach soll eine einzelne Leistung für die Anwendung des § 25 UStG nur dann genügen, wenn es sich um eine Beherbergungsleistung handelt. Ein Leistungsbündel soll der Finanzverwaltung zufolge nicht vorliegen, wenn ein Unternehmer gegenüber seinem Kunden lediglich eine Beförderungsleistung erbringt, deren Zweck es ist, den Kunden die An- und Abreise zu organisieren.
Die Entscheidung erging in Form eines Beschlusses, was darauf hinweist, dass der EuGH die von ihm gezogene Schlussfolgerung für unproblematisch oder selbstverständlich hält: Nach Artikel 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs kann es zu einer „Antwort durch mit Gründen versehenen Beschluss“ kommen, wenn „eine zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage mit einer Frage übereinstimmt, über die der Gerichtshof bereits entschieden hat, wenn die Antwort auf eine solche Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann oder wenn die Beantwortung der zur Vorabentscheidung vorgelegten Frage keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt“. Eine „offizielle“ Übersetzung des Beschlusses in deutscher Sprache ist nicht erfolgt – eine solche Übersetzung ist nicht ausgeschlossen, aber ungewiss. Allerdings dürfte es noch zu einer Veröffentlichung einer deutschen Fassung des Leitsatzes im Amtsblatt der EU kommen.
Es bleiben Fragen, etwa in Bezug auf den EuGH-Beschluss „Star Coaches“ von 2012. Hier hatte der EuGH eine Besteuerung von Leistungen eines Busunternehmers nach der Sonderregelung abgelehnt, der seine Personenbeförderungen auch über Subunternehmer an Reisebüros erbrachte: Die Leistungen des Klägers Star Coaches und die Leistungen eines Reisebüros oder Reiseveranstalters stimmten keineswegs überein, der Unternehmer erbringe keine weiteren Leistungen. Im vorliegenden Beschluss gibt er aber an, seine Schlussfolgerung gelte unabhängig davon, ob (wie er unter anderem für das „Hotelkonsolidierer-Urteil“ angibt) diese Bereitstellung nicht mit zusätzlichen Dienstleistungen einhergeht oder ob das Reisebüro auch Informations- und Beratungsdienstleistungen für seine Kunden anbietet. Auf den Kläger im „Hotelkonsolidierer-Urteil“ hatte beides zugetroffen: Er hatte seine Kunden zuweilen auch beraten und bei der Organisation der Reise unterstützt, meist aber nur eine Beherbergungsdienstleistung erbracht. Dennoch fielen seine Leistungen unter die Sonderregelung.
Da bei Anwendung der Sonderregelung für Reisebüros sowohl der Vorsteuerabzug aus sogenannten Reisevorleistungen ausgeschlossen als auch eine Marge am Sitzort des Leistenden zu versteuern ist, könnte diese Entscheidung weitreichende Konsequenzen haben und die betreffende Umsatzsteuer zu einem Kostenfaktor werden – insbesondere wenn der Einkauf solcher Leistungen im Konzern zentral über eine Einkaufsgesellschaft erfolgt.
Fundstellen
EuGH C-763/23 „Dragoram Tour“, Beschluss vom 25. Juni 2024 (nur in französischer und rumänischer Sprache veröffentlicht);
EuGH C-552/17 „Alpenchalets Resorts“, Urteil vom 19. Dezember 2018; C-108/22 „Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej“ („Hotelkonsolidierer-Urteil“), Urteil vom 29. Juni 2023; C-220/11 „Star Coaches“, Beschluss vom 1. März 2012
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