Vom Europäischen Gerichtshof
Vorlage des BFH zum Aufteilungs-gebot bei Hotel- übernachtungen
Hotelübernachtungen unterliegen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 Prozent. Nach dem Umsatzsteuergesetz gilt die Steuerermäßigung aber nicht für Leistungen, die „nicht unmittelbar der Vermietung dienen“, was unter anderem Verpflegungsleistungen wie das Hotelfrühstück, Wellnessangebote und Parkmöglichkeiten betrifft. Der XI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat nun dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob eine solche Aufspaltung einer einheitlichen Leistung rechtens ist: Denn es handele sich bei den fraglichen Leistungen zumeist um Nebenleistungen, die mehrwertsteuerlich eigentlich das Schicksal der Hauptleistung teilen müssten.
Die Vorlagen des XI. Senats
Der XI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat drei gleichgelagerte Verfahren dem EuGH vorgelegt. Sie betreffen Beherbergungsunternehmer, die ihre Leistungen wie folgt insgesamt einem Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent unterwarfen.
- Im ersten Fall waren Frühstück und (öffentlich nutzbarer) Parkplatz im Übernachtungspreis inbegriffen. Nur sofern ein Gast die Übernachtung ohne Frühstück in Anspruch nehmen wollte, wurde das Frühstück mit 4,50 Euro verrechnet.
- Im zweiten Fall bot die Betreiberin einer Fremdenpension ihren Gästen Übernachtungen inklusive Frühstück zu einem pauschalen Gesamtpreis an. Für Übernachtungsgäste bestand keine Möglichkeit, auf das Frühstück zu verzichten und dadurch den Gesamtpreis zu mindern.
- Im dritten Fall hielt die Klägerin öffentliche Parkplätze, WLAN und Fitness- und Wellnesseinrichtungen vor, die sie ihren Gästen nicht gesondert berechnete. Davon abgesehen stellte die Klägerin jedoch ihre weiteren Leistungen (Tischfußball, Massage, Nutzung des Zimmertelefons, Leistungen des angeschlossenen Restaurants, Minibar usw.) gesondert zum Regelsteuersatz von 19 Prozent in Rechnung.
Nach Auffassung des BFH ist die Rechtsprechung des EuGH nicht hinreichend eindeutig, ob hier eine Aufteilung der einheitlichen Leistung erfolgen sollte oder nicht. In seinem Vorabentscheidungsersuchen wägt er die Argumente für und wider eine Aufteilung der einheitlichen Übernachtungsleistung ab, die auch das Frühstück und andere Leistungen umfasst.
Erst unlängst hatte der EuGH sich im Urteil in der Rechtssache „Y“ gegen eine Aufteilung bei der Vermietung von Gebäuden einschließlich Betriebsvorrichtungen entschieden (siehe Ausgabe 03 unseres Newsflashs „Umsatzsteuer aktuell“ vom Juni 2023). Sollte das auf Hotelübernachtungen übertragbar sein, schlägt der BFH eine Aufteilung anhand der Kriterien des EuGH-Urteils „WAM“ vor. In diesem Urteil aus dem Jahr 2015 hatte der EuGH über die mehrwertsteuerliche Behandlung von Mietnebenkosten wie Wasser oder Strom entschieden: Haben die Mieter die Möglichkeit, ihre Lieferanten und/oder Nutzungsmodalitäten selbst auszuwählen, so handele es sich um eine gegenüber der Vermietungsleistung selbstständige Leistung. Das sei besonders dann der Fall, wenn der Mieter selbst über den Verbrauch entscheiden könne und die Leistungen verbrauchsgerecht (z. B. über Zähler) abgerechnet würden. Wie der BFH mitteilt, könnten sich diese Kriterien auf das Beherbergungsgewerbe übertragen lassen: Wer seinen Kunden die Möglichkeit eröffne, die Leistung hinzuzubuchen oder abzuwählen, wodurch sich das Entgelt dementsprechend erhöht oder verringert, müsste die “Zusatzleistung” in der Regel dann mit einem Steuersatz von 19 Prozent abrechnen. Umgekehrt gälte: Können die Kunden die Leistung weder hinzubuchen noch abwählen, wären sie als Nebenleistungen wie die Hauptleistung (Beherbergung) mit einem Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent Mehrwertsteuer zu besteuern. Mit Blick auf die Fälle, die der BFH dem EuGH vorlegt, wäre im ersten Fall also das Frühstück mit 19 Prozent zu besteuern, nicht aber der Parkplatz; im zweiten Fall wäre das Frühstück ermäßigt zu besteuern. Im dritten Fall wären Parkplätze, WLAN und Fitness- und Wellnesseinrichtungen ermäßigt zu besteuern, wogegen die weiteren Leistungen mit dem Regelsteuersatz von 19 Prozent zu besteuern wären.
Das entspricht aber nicht der eigenen Auffassung des BFH: Seiner Meinung nach steht das bisherige Aufteilungsgebot in Einklang mit dem Unionsrecht und kann somit beibehalten werden. So habe der EuGH im sogenannten „Bestatterurteil“ aus dem Jahr 2010 (sowie in weiteren Urteilen) entschieden, dass der Transport von Leichnamen auch im Rahmen einer einheitlichen Bestattungsleistung ermäßigt besteuert werden kann. Denn ein Mitgliedsstaat könne die Anwendung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf konkrete und spezifische Aspekte einer Kategorie von Leistungen beschränken, solange er dabei den Grundsatz der Neutralität beachte (ein Grundsatz, dem zufolge gleichartige Leistungen grundsätzlich auch gleich zu besteuern sind). Das Aufteilungsgebot komme dem Neutralitätsgrundsatz sogar besser entgegen, als wenn sich die Besteuerung der Nebenleistung nach der Beherbergungsleistung richte: Denn mit einer Aufteilung werde sichergestellt, dass ein Hotel gleiche Leistungen (zum Beispiel Frühstück, Parkplatz) nicht zu einem günstigeren Steuersatz anbieten könne als ein Unternehmer (zum Beispiel Gastronom, Parkhausbetreiber) in der unmittelbaren Nachbarschaft.
Die Entscheidung des EuGH darf mit Spannung erwartet werden, da sie erhebliche Auswirkungen auf die Umsatzsteuerpraxis im Beherbergungsgewerbe haben könnte – und zwar möglicherweise nicht nur in Deutschland. So teilt der BFH in seinem Vorabentscheidungsersuchen mit, dass sich der ermäßigte Steuersatz für Beherbergungsleistungen in Österreich auch auf Nebenleistungen erstreckt, und zwar offenbar nicht nur für im Preis inbegriffene hoteltypische Leistungen. Erfahrungsgemäß vergehen von der Einreichung der Vorlage (die offenbar erst im Juni 2024 erfolgte) bis zu einem Vorlageurteil etwa anderthalb Jahre. Daher dürfte im laufenden Jahr nicht mehr mit einer Entscheidung zu rechnen sein.
Fundstellen
BFH XI R 11/23 (XI R 34/20) (vollständiges Ersuchen), XI R 13/23 (XI R 7/21) und XI R 14/23 (XI R 22/21); EuGH-Vorlagen vom 10. Januar 2024, beim EuGH (offenbar) geführt unter den Az. C-409/24 „J-GmbH“, C-410/24 „Blapp“ und C-411/24 „D-GmbH“
EuGH C-516/21 „Y“, am EuGH geführt als „Finanzamt X“, Urteil vom 4. Mai 2023; C-42/14 „Wojskowa Agencja Mieszkaniowa w Warszawie“ („WAM“), Urteil vom 16. April 2015; C-94/09 „Kommission ./. Frankreich“ („Bestatterurteil“), Urteil vom 6. Mai 2010
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