Aus der Gesetzgebung
Entwurf eines Jahressteuer-gesetzes 2024 - Umsatzsteuer
Unter den zahlreichen beabsichtigten umsatzsteuerlichen Änderungen sind vor allem Regelungen zur Rechnungstellung durch Istversteuerer und zum Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs aus Eingangsleistungen dieser Unternehmer von hoher praktischer Relevanz. Hinzu kommen zum Beispiel neue Regelungen zu grenzüberschreitenden Leistungen von Kleinunternehmern und zahlreiche Änderungen im Bereich der Steuerbefreiungen.
Istbesteuerung: Einführung einer weiteren Rechnungsvoraussetzung
Im Jahr 2022 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil „Grundstücksgemeinschaft Kollaustraße“ entschieden: Bezieht ein Unternehmer Leistungen von einem anderen Unternehmer, der seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten besteuert ("Istversteuerer“, § 20 UStG), entsteht unionsrechtlich bei bereits erbrachten Leistungen das Vorsteuerabzugsrecht nicht schon bei Leistungsausführung, sondern erst bei Zahlung – und zwar gleichgültig, ob der Leistungsempfänger seine Steuer nach vereinnahmten oder vereinbarten Entgelten berechnet. Bislang war es in der Praxis jedoch üblich, den Vorsteuerabzug auch in diesen Fällen bereits bei Rechnungserhalt anstatt frühestens bei der (in den meisten Fällen zeitlich erst nach Rechnungserhalt vorgenommenen) Zahlung geltend zu machen: Bei Leistungen von Istversteuerern wurde die Vorsteuer in der Regel also zeitlich zu früh abgezogen. Nun reagiert der Gesetzgeber auf diese Rechtsprechung.
Istversteuerer sind durchaus kein seltenes Phänomen, dazu können zum Beispiel Freiberufler sowie zahlreiche kleinere Unternehmer zählen. Bislang konnten Unternehmer allerdings nicht rechtssicher erkennen, ob sie es auf der Eingangsseite mit Istversteuerern zu tun hatten. Dem wird durch die Einführung einer neuen Rechnungsvoraussetzung abgeholfen: Ab 2026 ist verbindlich (auch für Kleinbetragsrechnungen und als Rechnung dienende Fahrscheine) die Angabe „Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten“ vorgeschrieben, sofern der leistende Unternehmer die Steuer nach § 20 UStG berechnet. Entsprechend wird der Zeitpunkt für das Vorsteuerabzugsrecht bei Zahlung in §15 Abs. 1 UStG ausdrücklich geregelt. Der Besitz einer ordnungsgemäßen Rechnung wird auch für diesen Fall vorausgesetzt. Eine Übergangsregelung bestimmt, dass der §15 Abs. 1 UStG in seiner neuen Fassung erstmals auf Rechnungen anzuwenden ist, die nach dem 31. Dezember 2025 ausgestellt werden. Die Zeit sollte genutzt werden, um in der Buchhaltung die nötigen Anpassungen für die neue Rechnungsvoraussetzung vorzunehmen und damit korrespondierend den korrekten Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs im System festzulegen.
Umsetzung der Richtlinie zur Einführung einer Sonderregelung für EU-Kleinunternehmer
Der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024 sieht vor, dass zum 1. Januar 2025 im Inland ansässige Kleinunternehmer steuerbefreit sind, wenn der Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr 25.000 Euro nicht überschritten hat und im laufenden Kalenderjahr 100.000 Euro nicht überschreitet. Die bis zum Zeitpunkt der Überschreitung bewirkten Umsätze sind steuerfrei, eine Umsatzprognose zu Beginn des Kalenderjahres ist nicht mehr erforderlich. Für Umsätze, die nach dieser Vorschrift steuerfrei sind, sind nach einer besonderen Vorschrift (§ 34a UStG-E) vereinfachte Rechnungen auszustellen (sofern keine Kleinbetragsrechnungen bzw. Fahrausweise als Rechnungen ausgestellt werden).
Neu ist, dass ein Kleinunternehmer diese Steuerbefreiung auch in anderen EU-Mitgliedsstaaten in Anspruch nehmen kann. Inländische Unternehmer, die in einem oder mehreren anderen EU-Mitgliedsstaaten ihrer Wahl die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer in Anspruch nehmen möchten, können sich für ein besonderes zentrales Umsatzmeldeverfahren registrieren, in dem sie eine einzige Meldung für alle diese EU-Staaten abgeben. Dazu erteilt ihnen das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) eine Kleinunternehmer-Identifikationsnummer (KU-IdNr. mit Annex „EX“). Um an dem Verfahren teilzunehmen, dürfen ein (europäischer) Schwellenwert von 100.000 Euro sowie (jedenfalls in Deutschland) die betreffenden nationalen Schwellenwerte nicht überschritten werden. Es sind vierteljährliche elektronische Umsatzmeldungen einzureichen. Bei deutschen Kleinunternehmern prüft das BZSt anhand der Umsatzmeldung die Einhaltung und das Überschreiten der Umsatzgrenze für den Jahresumsatz im Gemeinschaftsgebiet, die Prüfung der jeweiligen nationalen Umsatzgrenzen obliegt den jeweiligen anderen Mitgliedstaaten. Der Gesetzesentwurf regelt sowohl für inländische als auch EU-Kleinunternehmer die Möglichkeit zum Verzicht auf die Kleinunternehmerstellung. Weitere Änderungen sind eher redaktioneller Art und betreffen zum Beispiel den Ausschluss des Vorsteuerabzugsrechts.
Umsetzung der Richtlinie (EU) 2022/542 in Bezug auf den Leistungsort virtueller Veranstaltungen
Der Leistungsort für per Streaming übertragene oder auf andere Weise virtuell verfügbar gemachte Veranstaltungen wird zum 1. Januar 2025 für bestimmte Fälle besonders geregelt. Das heißt zum einen: Werden kulturelle, künstlerische, wissenschaftliche, unterrichtende, sportliche, unterhaltende (und einige weitere) Leistungen an Endverbraucher und gleichgestellte Personen per Streaming übertragen oder auf andere Weise virtuell verfügbar gemacht, so wird die Leistung an dem Ort erbracht, an dem der Empfänger ansässig ist oder seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. Das Bundesministerium der Finanzen hat diese Leistungsortsregelung jedoch für vor diesem Datum erbrachte Leistungen bereits mit BMF-Schreiben vom 29. April 2024 vorweggenommen.
Zum anderen werden virtuelle Veranstaltungen aus dem Anwendungsbereich des besonderen Leistungsorts für die Einräumung von Eintrittsberechtigungen für die genannten Leistungen an andere Unternehmer für deren Unternehmen (und Gleichgestellte) herausgenommen. In diesem Fall dürfte der Grundtatbestand des §3a Abs. 2 UStG (Bestimmungsortsprinzip) zur Anwendung kommen. Das entspricht jedenfalls für diesen Fall jedoch bereits der geltenden Verwaltungsmeinung (Abschnitt 3a.7a Abs. 1 Satz 4 Umsatzsteuer-Anwendungserlass).
Änderungen im Bereich der Steuerbefreiungen (Auswahl)
Die Steuerbefreiung in Zusammenhang mit der Umsatzsteuerlagerregelung nach §4 Nr. 4a UStG sowie die damit in Zusammenhang stehenden Einfuhrumsatzsteuerbefreiungen sollen zum 1. Januar 2026 aufgehoben werden. Hinzu kommen zahlreiche redaktionelle Folgeänderungen an verschiedenen Stellen des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Angabegemäß stand die wirtschaftliche Bedeutung der Umsatzsteuerlagerregelung für nur wenige Wirtschaftsbeteiligte im Missverhältnis zum damit verbundenen, erheblichen Verwaltungsaufwand.
Zusätzlich zur Gewährung und der Vermittlung von Krediten (§ 4 Nr. 8 Buchst. a UStG-E) soll dem Entwurf zufolge auch die Verwaltung von Krediten und Kreditsicherheiten durch die Kreditgeber steuerfrei gestellt werden. Diese Änderungen, die einem Wettbewerbsnachteil deutscher Banken gegenüber Banken aus anderen Mitgliedsstaaten begegnen sollen, waren zunächst bereits im Zukunftsfinanzierungsgesetz vorgesehen, im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens aber wieder gestrichen worden. Die Änderung, die der Gesetzesbegründung zufolge vor allem Leistungen von Konsortialführern betrifft, soll zum 1. Januar 2025 in Kraft treten.
Der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024 greift mit einer Neuregelung der Bildungsleistungen sowie des von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterrichts nach §4 Nr. 21 UStG ein schon länger verfolgtes Reformanliegen auf – ein laufendes Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland dürfte zur geplanten Umsetzung beigetragen haben. Der jetzt vorgeschlagene Wortlaut entspricht weitgehend dem Wortlaut des Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j sowie – in Hinblick auf eine geplante Einschränkung der Steuerbefreiung auf Einrichtungen, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben - des Art 133 Buchst. a MwStSystRL (die genannte Einschränkung gilt jedoch lediglich bei Fortbildungsleistungen sowie damit eng verbundene Leistungen durch andere Einrichtungen als mit diesen Aufgaben betraute öffentliche Einrichtungen). Das bislang vorgesehene Verfahren, wonach für die Anwendung der Steuerbefreiung eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde erforderlich war, soll abgeschafft werden. Bildungsleistungen im Rahmen von Eingliederungsleistungen oder aktiven Arbeitsförderungen nach dem Sozialgesetzbuch usw. sind nur unter den weiteren Voraussetzungen der § 4 Nr. 15b und 15c UStG steuerbefreit. Auch diese Änderung soll zum 1. Januar 2025 in Kraft treten.
Zum selben Zeitpunkt sollen in § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG die (von dort näher bestimmten Organisationen gegen Teilnahmeentgelt veranstalteten) sportlichen Veranstaltungen aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift herausgenommen werden, es erfolgt dafür eine besondere Ausgestaltung der Befreiung für „die in engem Zusammenhang mit Sport oder Körperertüchtigung stehenden sonstigen Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben“. Darunter kann nach der Gesetzesbegründung auch die Nutzungsüberlassung von Sportanlagen fallen. Die Änderung dient der Anpassung an Unionsrecht.
Weitere Änderungen (Auswahl)
Wenn nicht anders angegeben, treten die folgenden Änderungen am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft.
Die Übergangsfrist für die Anwendung des § 2b UStG (Umsatzbesteuerung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts) wird unter den weiteren Bedingungen vom 31. Dezember 2024 auf den 31. Dezember 2026 verlängert.
In § 3 Abs. 4 UStG (Werklieferungen) wird klargestellt, dass die Vorschrift (entsprechend der bisherigen Verwaltungsauffassung) die Bearbeitung oder Verarbeitung eines fremden Gegenstands behandelt.
§13c UStG wird dahin ergänzt, dass mit Eröffnung eines Insolvenzverfahren die noch nicht fällige Umsatzsteuer, wenn sie eine Insolvenzforderung ist, im Sinne dieser Vorschrift als fällig gilt. Damit wird auf Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) reagiert, wonach die Anmeldung des Anspruchs zur Insolvenztabelle bislang nur im Verhältnis zwischen unmittelbarem Anspruchsberechtigtem und Insolvenzschuldner die Fälligkeit, nicht aber im Verhältnis zum Haftungsschuldner fingiert wurde.
In §14c Abs. 2 UStG wird eine Lücke in Hinblick auf die Steuerschuld wegen falschen Steuerausweises in der Rechnung geschlossen. Der BFH hatte entschieden, dass eine Gutschrift, die nicht über eine Leistung eines Unternehmers ausgestellt ist (wie zum Beispiel eine Gefälligkeitsgutschrift), einer Rechnung nicht gleichstehe und keine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG begründen könne.
In § 15 Abs. 4 UStG wird klargestellt, dass der Gesamtumsatzschlüssel nur in Frage kommt, wenn keine andere, präzisere Zurechnung möglich ist. Das entspricht der bisherigen Verwaltungsauffassung. Die Gesetzesbegründung bestätigt, dass inhaltliche Änderungen mit der Neuformulierung nicht verbunden sind.
§18 Abs. 9 Satz 7 UStG sieht vor, dass bei Vorsteuer-Vergütungsanträgen von nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmern die auf Kraftstofflieferungen entfallende Vorsteuer nur insofern nicht vergütungsfähig ist, als diese nicht weitergeliefert werden. Wie der Entwurf mitteilt, vermeidet dies bisher für den Bezug von weitergelieferten Kraftstoffen eine regelmäßig durchzuführende, abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen.
In §22g Abs. 7 Nr. 1 UStG-E (Definition eines „Zahlungsdienstleisters“) werden die Wörter „in Verbindung mit § 1 Abs. 4 Satz 2 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes“ und „im Sinne des § 1 Abs. 9 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes“ gestrichen. Die Streichung der Verweise auf nationales Recht habe klarstellende Wirkung, so dass allein die europarechtliche Definition maßgeblich sei.
Eine weitere Änderung, die auf die Richtlinie (EU) 2022/542 zurückgeht, ist die Nichtanwendung der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG zum 1. Januar 2025 für Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten, wenn der Eingangsumsatz des Wiederverkäufers einem ermäßigten Steuersatz unterlegen hat.
In einem neuen § 30 UStG-E wird klargestellt, dass Nordirland auch für die Zeit, die sich dem 31. Dezember 2020 anschließt, als übriges Gemeinschaftsgebiet gilt, und dass die betreffende Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sowie die individuelle Identifikationsnummer für den Import One Stop Shop (IOSS) als Nummer eines anderen Mitgliedsstaats gilt. Das entsprach bereits der bisherigen Praxis.
Hinweis
Es sollte beachtet werden, dass Gesetzesentwürfe erfahrungsgemäß noch Änderungen (auch substanzieller Art) erfahren können, insbesondere ist es keineswegs ungewöhnlich, dass vorgeschlagene Änderungen ihrerseits abgeändert und weitere Änderungen des UStG und anderer Gesetze in spätere Entwurfsfassungen eingefügt werden.
Fundstellen
Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024 im Webauftritt des BMF;
BMF-Schreiben vom 29. April 2024;
Richtlinie (EU) 2020/285 des Rates vom 18. Februar 2020 zur Änderung der Sonderregelung für Kleinunternehmen (inzwischen geändert durch die Richtlinie (EU) 2022/542);
2 Richtlinie (EU) 2022/542 des Rates vom 5. April 2022 zur Änderung der Richtlinien 2006/112/EG und (EU) 2020/285 in Bezug auf die Mehrwertsteuersätze;
Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland (Steuerbefreiung der Unterrichtsleistungen): Pressemeldung der EU-Kommission vom 7. Februar 2024 (unter „6. Taxation and Customs Union“);
EuGH C-9/20 „Grundstücksgemeinschaft Kollaustraße“, Urteil vom 10. Februar 2022
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