Aus der Finanzverwaltung
Umsatzsteuerliche Behandlung von Online-Veranstaltungs-dienstleistungen
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat umfassend zu Online-Veranstaltungsdienstleistungen sowie zu weiteren Online-Dienstleistungsangeboten an Nichtunternehmer Stellung genommen..
Die umsatzsteuerliche Behandlung von Online-Dienstleistungen hängt davon ab, ob es sich um elektronisch erbrachte Dienstleistungen oder um eine andere sonstige Leistungen handelt, die eine wesentliche menschliche Beteiligung erfordern. Elektronisch erbrachte Dienstleistungen sind solche, die über das Internet oder ein elektronisches Netzwerk erbracht werden, im Wesentlichen automatisiert sind und ohne menschliches Eingreifen nicht möglich sind. Der Leistungsort für nichtunternehmerische Empfänger (B2C) ist der Ort, an dem der Empfänger seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seinen Sitz hat. Sonstige Leistungen, die eine wesentliche menschliche Beteiligung erfordern, wie zum Beispiel Live-Streaming von Veranstaltungen, die in Echtzeit stattfinden und eine Interaktion mit dem Publikum ermöglichen, sollen – wenn an Nichtunternehmer erbracht - zwar als Veranstaltungsleistung i.S.d. § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UStG angesehen werden, aber dennoch dort steuerbar sein, wo der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz hat (!).
Diese Leistungen können steuerbefreit sein, zum Beispiel im Fall einer Theater- oder Orchesteraufführung im Sinne von § 4 Nr. 20 UStG, als Unterrichtsleistungen im Sinne von §4 Nr. 21 UStG oder als Veranstaltungen wissenschaftlicher und belehrender Art nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG. Auch eine Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG (Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte, Museen usw.) könne in Frage kommen. Jedenfalls in Hinblick auf die Steuerbefreiungen teilt das BMF mit, dass für diese Beurteilung die Interaktion mit dem Publikum maßgeblich sei: Diese Interaktion könne in verschiedenen Bekundungen wie Beifall, Zugabe etc. (gegebenfalls auch über Button-Funktionen oder soziale Netzwerke), aber auch im bloßen Zuhören bestehen und finde ausschließlich in Echtzeit statt. Eine Steuerbefreiung komme unter den weiteren Voraussetzungen des § 4 Nr. 14 UStG auch für Online-Sprechstunden per Video-Stream mit einem direkten Austausch zwischen dem Patienten und dem Arzt in Frage.
Davon wird jedoch die Bereitstellung der Aufzeichnung einer Veranstaltung in digitaler Form unterschieden, die unter den weiteren Voraussetzungen eine auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistung (oder gegebenenfalls eine Rundfunk- und Fernsehleistung) sein soll. Diese Leistung soll von den genannten Steuerbefreiungen ausgeschlossen sein. Wie das BMF überdies mitteilt, fallen nicht nur Streamingangebote eines nur aufgezeichneten Unterrichts nicht unter die Steuerbefreiung der Unterrichtsleistungen nach § 4 Nr. 21 UStG, sondern auch keine Onlineübungen und Onlineklausuren mit automatisiert generierter Rückmeldung, wie sie zum Beispiel mit Lern-Apps oder auf Lernplattformen bereitgestellt werden. Das BMF weist zudem darauf hin, dass die Ermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG (Bücher, Zeitschriften usw., in elektronischer Form) für vorproduzierte Inhalte nicht einschlägig sei, da Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen aus Videoinhalten oder hörbarer Musik bestehen, hiervon ausgenommen seien.
Das BMF geht auch auf die Frage ein, wie Kombinationen der vorgenannten Leistungen zu besteuern sind. Werden von einem Unternehmer sowohl Live-Streams als auch später abrufbare Aufzeichnungen angeboten, stellt sich die Frage, ob der Unternehmer dem Leistungsempfänger gegenüber mehrere selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt. Sofern eine einheitliche Leistung vorliege, handle es sich um eine Leistung eigener Art, die dem allgemeinen Steuersatz unterliege: Eine Aufteilung des Entgelts komme dann nicht in Betracht. Werde neben der Bereitstellung eines Live-Streams (mit und ohne Interaktionsmöglichkeit) gegen Zahlung eines gesonderten Entgelts oder aber eines Aufpreises zusätzlich die Aufzeichnung angeboten, die zu einem späteren, vom Nutzer gewählten Zeitpunkt abgerufen werden kann, liegen dem BMF zufolge zwei selbstständige Leistungen vor, die getrennt zu beurteilen sind. Davon abgesehen teilt das BMF mit, dass im Fall eines einheitliches Nutzungsentgelts das Entgelt auf die einzelnen Leistungen aufzuteilen sein soll.
Das BMF nutzt die Gelegenheit zur Klarstellung, dass sich der ermäßigte Steuersatz für Leistungen nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG nur auf den Verkauf von Eintrittsberechtigungen erstreckt, nicht aber auf andere Leistungen der Veranstalter oder die Vermittlung des Verkaufs von Eintrittsberechtigungen. Außerdem weist das BMF darauf hin, dass die digitale Bereitstellung (als Live-Stream oder als Aufzeichnung) auch über externe Veranstaltungsportale oder andere Dritte erfolgen könne, wonach jedoch zu prüfen sei, ob eine Dienstleistungskommission (im Sinne des § 3 Abs. 11 oder Abs. 11a UStG) vorliege, bei der die Steuerbefreiung (zumindest) des § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG auch für die Besorgungsleistung in Frage kommen könne.
Die Grundsätze dieses Schreibens sind laut BMF in allen offenen Fällen anzuwenden. Für Leistungen, die vor dem 1. Juli 2024 bewirkt werden, wird es nicht beanstandet, wenn die Beteiligten im Hinblick auf den Leistungsort sowie die genannten Umsatzsteuerbefreiungen und -ermäßigungen übereinstimmend von anderen Grundsätzen ausgegangen sind.
Hinweis
Zwar gibt das BMF an, dass es sich bei den Veranstaltungsleistungen an Nichtunternehmer um eine sonstige Leistung im Sinne des § 3a Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe a UStG handle. Dennoch gibt es für sie einen anderen Leistungsort (Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthaltsort oder Sitz des Leistungsempfängers) an, als diese Vorschrift es eigentlich vorsieht. Das BMF scheint mit diesem Schreiben eine im Entwurf des Jahressteuergesetzes zum 1. Januar 2025 vorgesehene Gesetzesänderung vorwegnehmen zu wollen. Diese Gesetzesänderung geht wiederum auf eine Änderung der MwStSystRL durch die „Steuersatzrichtlinie“ 2022/542 zurück (sie soll von einer noch nicht verabschiedeten Anpassung der MwStVO flankiert werden, deren Inkrafttreten ebenfalls für den 1. Januar 2025 vorgesehen ist).
Von der hier behandelten Vorschrift ist die Vorschrift des § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG zu unterscheiden - die Einräumung der Eintrittsberechtigung zu kulturellen, künstlerischen, wissenschaftlichen, unterrichtenden, sportlichen, unterhaltenden oder ähnlichen Veranstaltungen usw. an einen Unternehmer für dessen Unternehmen (B2B). Hierzu hat das BMF bereits in seinem Schreiben vom 9. Juni 2021 (mit Übergangsregelung im BMF-Schreiben vom 19. August 2021) Stellung genommen.
Fundstellen
BMF-Schreiben vom 29. April 2024;
BMF-Schreiben vom 9. Juni 2021, Az. III C 3 - S 7117-b/20/10002 :002, BStBl. I 2021 Seite 778 (vgl. Abschnitt 3a.7a UStAE); BMF-Schreiben vom 19. August 2021, Az. III C 2 - S 7283/19/10001 :002, BStBl. I 2021 Seite 1088;
Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024 im Webauftritt des BMF;
Richtlinie (EU) 2022/542 des Rates vom 5. April 2022; Entwurf einer Durchführungsverordnung, Übersicht über den Verfahrensstand
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