Aus der Gesetzgebung
Bundesrat stimmt Wachstumschancen-gesetz zu
Das Wachstumschancengesetz war am 17. November 2023 vom Bundestag verabschiedet worden. Am 24. November 2023 hatte der Bundesrat zu dem Gesetz den Vermittlungsausschuss angerufen. Der Vermittlungsausschuss erarbeitete eine vom 21. Februar 2024 datierte Beschlussempfehlung, der nun auch der Bundesrat in seiner Sitzung am 22. März 2024 zustimmte. Nach Ausfertigung und Verkündung tritt das Wachstumschancengesetz nunmehr in Kraft.
Änderungen der umsatzsteuerlichen Regelungen durch den Vermittlungsausschuss
Der Kompromissvorschlag des Vermittlungsausschusses enthält gegenüber dem Wachstumschancengesetz in der Fassung des Bundestagsbeschlusses vom 17. November 2023 nur wenige umsatzsteuerliche Änderungen. Die Wiedereinführung des Regelsteuersatzes für die Lieferung von Gas über das Erdgasnetz sowie von Wärme über ein Wärmenetz, die um einen Monat vorverlegt werden sollte, erfolgt wie ursprünglich vorgesehen zum 31. März 2024 (§ 28 Abs. 5 und 6 UStG). Auch zur vorgesehenen Änderung des § 24 UStG zur Anpassung des Durchschnittssatzes und der Vorsteuerpauschale für Landwirte auf 8,4 Prozent kommt es zunächst nicht. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens bzw. der Anwendung der neuen Regelungen wird – vor allem wegen des verspäteten Inkrafttretens des Gesetzes – für einige Teile der umsatzsteuerlichen Änderungen neu bestimmt.
Verbindliche E-Rechnung für Transaktionen zwischen inländischen Unternehmern
Elektronische Rechnungen sind bereits seit vielen Jahren eine gewohnte Erscheinung. Ein bestimmtes Format jedenfalls ist für umsatzsteuerliche Zwecke bislang nicht vorgeschrieben, wenngleich auch – neben einer Zustimmung des Rechnungsempfängers – die Echtheit der Herkunft, die Unversehrtheit des Inhalts und die Lesbarkeit gewährleistet sein müssen.
Der Begriff der „elektronischen Rechnung“ soll sich künftig nur noch auf Rechnungen beziehen, die in einem bestimmten strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen werden und eine elektronische Verarbeitung ermöglichen, im Übrigen (elektronische Rechnungen in anderen Formaten, Papierrechnungen) spricht man von „sonstigen Rechnungen“. Die E-Rechnungen richten sich nach der europäischen Norm für die elektronische Rechnungstellung und der Liste der entsprechenden Syntaxen gemäß der Richtlinie 2014/55/EU vom 16. April 2014. Es ist aber auch möglich, dass Rechnungsaussteller und Rechnungsempfänger selbst ein strukturiertes elektronisches Format vereinbaren: Voraussetzung ist, dass das Format die richtige und vollständige Extraktion der nach dem Umsatzsteuergesetz erforderlichen Angaben aus der elektronischen Rechnung in ein Format ermöglicht, das der oben genannten Norm entspricht oder mit dieser interoperabel ist. Auch in diesen Fällen müssen die Echtheit der Herkunft der Rechnung, die Unversehrtheit ihres Inhalts und ihre Lesbarkeit gewährleistet werden.
Der Einsatz von E-Rechnungen soll unter Unternehmern (B2B) ungeachtet der Größe oder des Umsatzes der Unternehmen verbindlich werden, sofern sowohl der leistende als auch der leistungsempfangende Unternehmer im Inland ansässig sind. In den übrigen Fällen bedarf eine elektronische Rechnung (im oben angesprochenen oder in einem anderen Format) wie bislang der Zustimmung des Empfängers. Davon abgesehen wird die Pflicht zur Rechnungstellung als solche jedoch nicht ausgedehnt: So soll auch weiterhin grundsätzlich keine Rechnungsausstellungspflicht in Fällen von Steuerbefreiungen nach § 4 Nr. 8 bis 29 UStG gelten. Ausnahmen sind für Kleinbetragsrechnungen und Fahrausweise vorgesehen (§§ 33, 34 UStDV).
Dem Entwurf zufolge soll die Änderung mit Wirkung ab dem 1. Januar 2025 in Kraft treten, allerdings ist eine gesetzliche Nichtbeanstandungsregelung vorgesehen, falls der Unternehmer während der Jahre 2025 und 2026 nicht mit einer E-Rechnung abrechnet, sodass die Regelung offenbar de facto ab 2027 greift. Für rechnungsausstellende Unternehmer, deren Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 800.000 Euro betragen hat, wird diese Frist um ein weiteres Jahr verlängert und läuft zum 31. Dezember 2027 aus. Nach einer weiteren Regelung soll noch für bis einschließlich 2027 ausgeführte Umsätze anstelle einer elektronischen Rechnung im neuen Sinne eine Electronic-Data-Interchange-(EDI)-Rechnung verwendet werden können (umsatzsteuerlich, nicht nach anderen Vorschriften). Es ist aber zu beachten, dass sich die Übergangsregelungen nach ihrem Wortlaut auf die Übermittlung beziehen, nicht aber auf den Empfang, der somit durch alle inländischen Unternehmer bereits ab dem 1. Januar 2025 sicherzustellen sein dürfte.
Die Maßnahme soll die zu einem späteren Zeitpunkt zur Einführung vorgesehene Verpflichtung vorbereiten, Transaktionen im B2B-Bereich durch Unternehmer an ein bundeseinheitliches elektronisches System der Verwaltung zu melden, das zunächst Inlandssachverhalte umfassen soll. Dadurch sollen die technischen und organisatorischen Umstellungsarbeiten zeitlich entzerrt werden. Eine Erfassung innergemeinschaftlicher Transaktionen, deren Vorbereitung die vorliegende Maßnahme ebenfalls dienen dürfte, ist Gegenstand eines EU-Richtlinienvorschlags „VAT in the Digital Age“ (ViDA; vgl. dazu Ausgabe 2 unseres Newsletters Umsatzsteuer-News vom Februar 2023). Der Zeitplan sowohl für die Verabschiedung dieser Richtlinie als auch für die Einführung der darin vorgesehenen Maßnahmen ist allerdings unklar.
Weitere Änderungen
Vor allem für kleinere und kleinste Unternehmer sieht der Entwurf des Wachstumschancengesetzes 2023 Entlastungen von Bürokratie vor. Kleinunternehmer nach § 19 UStG sollen – außer für bestimmte Transaktionen, wie vor allem innergemeinschaftliche Erwerbe oder Fälle des Übergangs der Steuerschuldnerschaft, und vorbehaltlich einer Aufforderung durch die Finanzbehörden – von der Verpflichtung zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldung und Umsatzsteuerjahreserklärungen befreit werden. Hinzu kommen Änderungen der Fristen, binnen derer ein Kleinunternehmer auf die Besteuerung nach § 19 UStG verzichten oder seinen Verzicht widerrufen kann. Beträgt die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 2.000 Euro (bislang 1.000 Euro), kann das Finanzamt den Unternehmer von der Verpflichtung zur Abgabe der Voranmeldungen und Entrichtung der Vorauszahlungen befreien. Die Änderungen treten zum 1. Januar 2025 in Kraft, vorgesehen ist eine Anwendung der Neufassungen der §§ 18, 19 UStG aber bereits für Besteuerungszeiträume, die nach dem 31. Dezember 2023 enden.
Die Gesamtumsatzschwelle nach § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG (bislang 600.000 Euro) wird auf 800.000 Euro heraufgesetzt: Bis zu diesem Betrag kann das Finanzamt auf Antrag eine Besteuerung nach vereinnahmten anstatt nach vereinbarten Entgelten gestatten. Diese Änderung tritt (rückwirkend) zum 1. Januar 2024 in Kraft.
Eine weitere vorgesehene Änderung sieht eine Anpassung der Steuerermäßigung der Leistungen von Körperschaften vor, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG). Diese soll am Tag nach der Verkündung in Kraft treten. Hinzu kommen Steuerbefreiungsvorschriften, die zum Beispiel die Tätigkeiten der Verfahrenspfleger nach bestimmten Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zum Gegenstand haben. Diese Änderung soll zum 1. April 2024 in Kraft treten.
Ebenfalls zum 1. April 2024 sollen Umsätze, die dem Tatbestand des § 13b Abs. 2 Nr. 6 UStG (Übertragung von Berechtigungen nach § 3 Nr. 3 des Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes und bestimmter weiterer Berechtigungen, Zertifikate usw.) unterliegen, ebenfalls in den Genuss einer bestehenden Vereinfachungsregelung kommen. Die Vereinfachungsregelung in § 13b Abs. 5 Satz 8 UStG betrifft näher bestimmte Fälle, in denen die Beteiligten übereinstimmend den Umstand verkannt hatten, dass es nach objektiven Kriterien tatsächlich nicht zum Übergang der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger kam: Dann gilt unter bestimmten weiteren Voraussetzungen der Leistungsempfänger dennoch als Steuerschuldner, sofern dadurch keine Steuerausfälle entstehen.
Fundstellen
Wachstumschancengesetz in der vom Bundestag am 17. November 2023 beschlossenen Fassung
Bundesratsdokument vom 23. Februar 2024 mit Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses
Wachstumschancengesetz vom 27. März 2024, BGBl. I 2024, Nr. 108
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