Vom Europäischen Gerichtshof
Prämien für Neuabonnenten als Nebenleistung
Die kostenlose Lieferung von Gegenständen als Gegenleistung für den Abschluss eines neuen Zeitschriftenabonnements ist nach Meinung des EuGH eine unselbständige Nebenleistung zu einem Zeitschriften-Abonnement. Es bleibt aber noch Raum für Zweifel.
Sachverhalt
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens war ein in Portugal ansässiges Unternehmen, das Zeitschriften und sonstiges Informationsmaterial zum Thema Verbraucherschutz herausgab und vertrieb. Diese Erzeugnisse wurden nur im Abonnement verkauft. Im Rahmen von Werbekampagnen zur Gewinnung neuer Kunden bot sie neuen Abonnenten eine Abo-Prämie, die aus einem Tablet oder einem Smartphone bestehen konnte, mit einem Stückwert von stets unter 50 Euro. Die Abo-Prämie wurde den neuen Abonnenten zusammen mit ihrer Zeitschrift zugeschickt, nachdem sie die erste Monatsrate für das Abonnement gezahlt haben. Diese Rate war ebenso hoch wie die darauffolgenden Raten. Da keine Mindestbezugsdauer festgelegt war, behielten die Abonnenten die Abo-Prämie nach Zahlung der ersten Monatsrate selbst im Fall der Kündigung des Abonnements, ohne Nachteile zu erleiden. Die Klägerin wies auf ihren Rechnungen den ermäßigten Steuersatz von 6% aus, wie er in Portugal auf die Lieferung unter anderem von Zeitschriften Anwendung fand. Diese Rechnungen enthielten keinen Hinweis auf die Abo-Prämien. Da die portugiesischen Vorschriften zur (Nicht-)Besteuerung von Geschenken keine Anwendung fanden, unterwarf die portugiesische Finanzbehörde die Lieferung der Gegenstände dem Regelsteuersatz.
Entscheidung
Nach Meinung des EuGH sprachen die Umstände dafür, in der Lieferung der Prämie eine mit einer Hauptleistung verbundenen Nebenleistung zu sehen. Die Gewährung einer Abo-Prämie diene nur dem Zweck, die Zahl der Abonnenten für die von der Klägerin veröffentlichten Zeitschriften zu erhöhen und damit die von ihr erzielten Gewinne zu steigern. Bei ihrer kaufmännischen Kalkulation berücksichtige die Klägerin, dass einige Abonnenten ihr Abonnement nach Zahlung der ersten Monatsrate kündigen würden, ohne die Prämie zurückzugewähren. Gleichwohl ermögliche die Gewährung einer Abo-Prämie der Klägerin des Ausgangsverfahrens, die Zahl ihrer Abonnenten jedes Jahr erheblich zu erhöhen. Die Gewährung einer solchen Prämie habe daher aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers, der bereit ist, mindestens eine Monatsrate für ein Abonnement zu bezahlen, um die Prämie zu erhalten, keinen eigenständigen Zweck.
Der EuGH verweist zusätzlich darauf, dass die Abo-Prämie den neuen Abonnenten ermöglicht habe, die Hauptdienstleistung des Dienstleisters (die Lektüre der Zeitschriften) unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, da mit Hilfe eines Tablets oder eines Smartphones z. B. der Zugriff auf eine digitale Fassung dieser Zeitschriften möglich sei. Das wird vom EuGH jedoch nicht näher ausgeführt.
Vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht stellten somit das Abonnement dieser Zeitschriften und das Angebot eines Tablets oder Smartphones ein Ganzes dar, wobei das Abonnement die Hauptleistung und die Prämie eine Nebenleistung bilde, deren einziger Zweck darin bestehe, einen Anreiz für den Abschluss eines Abonnements zu schaffen.
Hinweis
Das Urteil behandelt den Fall, dass ein Neuabonnent selbst eine Abo-Prämie erhält, nicht den Fall, dass ein Altabonnent einen Neuabonnenten vermittelt (und erst recht nicht den Fall, dass einer Zeitschrift ein Gegenstand beigelegt wird). Es wird aus dem Urteil nicht recht klar, ob die Hauptleistung in Printausgaben oder digitalen Ausgaben der Zeitschrift (oder beiden) bestand.
Aus Abschnitt 3.3 Abs. 20, 2. Aufzählungszeichen UStAE ergibt sich, dass im Fall von Sachprämien von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen an die Neuabonnenten einer Zeitschrift, die ein längerfristiges Abonnement abgeschlossen haben, „regelmäßig entgeltliche Lieferungen bzw. einheitliche entgeltliche Leistungen“ vorliegen. Der Sachverhalt, der dem EuGH vorgelegt wurde, sieht vor, dass die Abonnenten das Abonnement bereits nach Zahlung der ersten Rate kündigen konnten: Entgegen dem Wortlaut der Verwaltungsregelung ist es also offenbar möglich, dass ein längerfristiges Abonnement keine Bedingung ist.
Das FG Hamburg scheint allerdings in einer jüngeren Entscheidung für einen ähnlichen Sachverhalt die Anwendbarkeit dieser Verwaltungsregelung in Zweifel gezogen zu haben, weil dort „die Behandlung einer Sachprämie für Neuabonnenten […] im Kontext der Entgeltlichkeit angesprochen“ werde. Ob das BMF diese Regelung ebenso eng auslegen würde, ist unbekannt. Außerdem hat es eine Lieferung der Abo-Prämie als Nebenleistung zur Hauptleistung des Abonnements selbst für den Fall der Lieferung von Kochutensilien als Abo-Prämie für eine Koch-Zeitschrift abgelehnt (so dass es sich bei der Prämie seiner Meinung nach um eine eigenständige Leistung handelte), weil ihm auch eine „zufällige Verknüpfung“ für die Annahme einer Nebenleistung nicht genügt. Ob ihm im Fall eines Tablets die inhaltliche Verknüpfung ausgeprägt genug gewesen wäre, ist unbekannt. Zwar scheinen die Ausführungen des EuGH, mit einem Smartphone bzw. einem Tablet lasse sich die digitale Fassung der Zeitschrift lesen, kein tragender Grund für seine Entscheidung zu sein: Dann käme es wohl nicht darauf an, welche Artikel als Abo-Prämie abgegeben werden. Allerdings ist es im Fall des EuGH nicht immer ratsam, sich allzu sehr auf einzelne Wendungen im Urteil zu verlassen. Schon darum ist nicht gesichert, ob künftige Rechtsprechung zu anderen Schlüssen käme. Zu einer zeitnahen Entscheidung des BFH wird es im Fall des Hamburger Urteils jedoch nicht kommen, weil es dem Vernehmen nach bereits rechtskräftig ist.
Fundstellen
EuGH C-505/22 „Deco Proteste Editores“, Urteil vom 5. Oktober 2023;
FG Hamburg 6 K 16/20, Urteil vom 19. Januar 2022
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