Recht & Steuern
Geplante erneute Fristverlängerung des § 2b UStG sowie Klarstellung zum Vorsteuerabzug
Die Übergangsregelungen des § 2b UStG werden wohl − gemäß dem Entwurf zum Jahressteuergesetz 2024 vom 4. Juni 2024 − um weitere zwei Jahre verlängert. Folglich wäre der § 2b UStG erst ab dem 1. Januar 2027 zwingend anzuwenden.
Begründet wird diese erneute Verlängerung wie beim letzten Mal: „[…] bestehen weitere grundlegende Rechtsanwendungsfragen fort, welche bei den Verantwortlichen zu großer Verunsicherung führen. Zudem sind neue offene Rechtsfragen hinzugekommen, welche noch nicht abschließend geklärt werden konnten.“
Ob es tatsächlich zu einer erneuten Verschiebung der Einführung des § 2b UStG kommen wird, wird sich endgültig erst mit Verabschiedung des Jahressteuergesetzes 2024 zeigen.
Die Neuregelung des § 2b UStG trat bereits 2017 in Kraft und löste § 2 Abs. 3 UStG a. F. ab.1 Wenn nach Auslaufen der Übergangsregelungen die Bestimmungen des § 2b UStG verpflichtend werden, sind auch juristische Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich vollumfänglich umsatzsteuerlich als Unternehmer zu qualifizieren. Lediglich hoheitliche Tätigkeiten, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen und zu keinen größeren Wettbewerbsverzerrungen führen, fallen nicht in die unternehmerische Sphäre. Das alte Recht hingegen knüpfte an die ertragsteuerliche Beurteilung und Qualifikation der ertragsteuerlichen Betriebe gewerblicher Art an. Die Neuregelung eröffnet die Unternehmereigenschaft auch außerhalb der ertragsteuerlichen Betriebe gewerblicher Art. So fällt beispielweise die Vermietung von Immobilien im Rahmen der Vermögensverwaltung, die nach § 2 Abs. 3 UStG a. F. noch dem nicht unternehmerischen Bereich zuzuordnen war, nach § 2b UStG nun in den unternehmerischen Bereich und somit grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Umsatzsteuer.
Praxishinweis
Wie bereits in unseren vorherigen Ausgaben2 möchten wir Sie darauf hinweisen, dass die gesetzliche Neuregelung die Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts betreffend eine umfassende Untersuchung ihrer Tätigkeiten erfordert, nach öffentlich-rechtlicher oder privater Handlungsgrundlage und nach ihrer Wettbewerbsrelevanz.
Zudem sind etwaig notwendige Vertragsanpassungen und interne Systeme sowie Prozesse zu überprüfen, insbesondere im Hinblick auf eine künftig, dann gegebenenfalls mit Umsatzsteuerausweis, zu erfolgende Rechnungsstellung.
Eine bis zum 31. Dezember 2016 abgegebene und bisher nicht widerrufene Erklärung zur Ausübung der (bisherigen) Verlängerungsoption bis zum 31. Dezember 2024 gilt automatisch weiter bis zum neuen Fristende. Die Optionserklärung kann allerdings mit Wirkung vom Beginn eines auf die Abgabe einer entsprechenden Erklärung folgenden Kalenderjahres an widerrufen werden. Insoweit besteht also die Möglichkeit, das neue Recht vor Fristablauf anzuwenden.
Juristische Personen des öffentlichen Rechts, die das neue Recht noch nicht anwenden, sollten bis zum Ablauf des Übergangszeitraums daher jährlich prüfen, ob eine Beurteilung der Unternehmereigenschaft für sie nach § 2 Abs. 3 UStG a. F. oder § 2b UStG günstiger ist.
Neues BMF-Schreiben vom 12. Juni 2024 zum Vorsteuerabzug für juristische Personen des öffentlichen Rechts
Das zwischenzeitlich ebenfalls ergangene Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 12. Juni 2024 (III C 2 - S 7300/22/10001 :001; veröffentlicht auf der Homepage des BMF) bezieht sich ebenfalls auf die Anwendung des § 2b UStG und enthält Anweisungen zur Umsatzbesteuerung der öffentlichen Hand, insbesondere zum Vorsteuerabzug bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die unternehmerisch tätig sind. Inhaltlich stellt das BMF klar, dass grundsätzlich und vorrangig die allgemeinen Regelungen zum Vorsteuerabzug nach § 15 UStG auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts anzuwenden sind, das heißt direkte Zuordnung und sachgerechte Vorsteueraufteilung. Dazu sei auf Ebene der juristischen Person des öffentlichen Rechts nach wirtschaftlichen bzw. unternehmerischen Betätigungen einerseits und nichtunternehmerischen Betätigungen andererseits zu differenzieren.
Die betroffenen Eingangsleistungen sind sachgerecht aufzuteilen, Gleiches gilt für den Vorsteuerabzug (Aufteilungsgebot).
Auch im Rahmen der Anwendung des § 2b UStG gilt: Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gilt eine Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines Gegenstandes der zu weniger als zehn Prozent von der juristischen Person des öffentlichen Rechts unternehmerisch genutzt wird (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG).
Das Ministerium hat zudem erkannt, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts aufgrund ihrer Tätigkeitsstruktur und Organisationsform eine sachgerechte Vorsteueraufteilung nach den allgemeinen Regeln nur mit unverhältnismäßigem Aufwand durchführen können. Daher werden im BMF-Schreiben drei Aufteilungsmethoden vorgestellt, wie zukünftig Vorsteuern zutreffend ermittelt werden können (Einnahmenschlüssel, Regelungen für Grundstücke und pauschaler Vorsteuersatz). Schließlich enthält das Schreiben noch spezielle Regelungen für Organisationseinheiten der Gebietskörperschaften Bund und Länder, die dezentral besteuert werden.
Die Grundsätze zum Vorsteuerabzug gelten erstmals für Besteuerungszeiträume unter Geltung von § 2b UStG, soweit nicht noch für das alte Recht optiert wurde.
Weitere Informationen erfragen Sie bitte bei
Lisa Friedemann, Tel.: +49 361 5586-174, lisa.friedemann@pwc.com
Katharina Krauss, Tel.: +49 69 9585-1942, katharina.krauss@pwc.com
1 Vgl. Ausgabe 45 vom Dezember 2016.
2 Ausgaben 60 vom September 2020 und 69 vom Dezember 2022.
Geplante Abschaffung des Gebots zur zeitnahen Mittelverwendung − sinnvoller Bürokratieabbau oder Fallstrick?
Das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung in § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO ist ein zentraler Bestandteil des Gemeinnützigkeitsrechts. Es verpflichtet gemeinnützige Körperschaften, die ihnen zugewendeten Mittel spätestens in den auf den Zufluss folgenden zwei Kalenderjahren für ihre satzungsmäßigen Zwecke zu verwenden. So soll sichergestellt werden, dass Spenden, Zuschüsse oder Beiträge zeitnah den steuerbegünstigten Zwecken zugutekommen und kein übermäßiges Vermögen angesammelt wird.
Im Referentenentwurf eines zweiten Jahressteuergesetz 2024 vom 10. Juli 2024 sowie dem Regierungsentwurf des Steuerfortentwicklungsgesetzes vom 24. Juli 2024 ist nunmehr vorgesehen, die zeitnahe Mittelverwendung abzuschaffen – ersatzlos. Begründet wird dieser Vorschlag mit dem Abbau bestehender Bürokratie, dem Eigeninteresse der steuerbegünstigten Körperschaften, ihre Mittel weiterhin regelmäßig zeitnah für steuerbegünstigte Zwecke zu verwenden und der Erwartung, Extremfällen einer übermäßigen Mittelthesaurierung über den gemeinnützigkeitsrechtlichen Grundsatz der Ausschließlichkeit (§ 56 AO) Einhalt zu gebieten.
Das Gebot der Ausschließlichkeit der Mittelverwendung soll die Schutzfunktion der zeitnahen Mittelverwendung mitübernehmen.
Das gesetzgeberische Ansinnen, gemeinnützige Körperschaften von Dokumentationspflichten und Bürokratie zu entlasten, ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Tatsächlich ist der Nachweis der Erfüllung des Gebots der zeitnahen Mittelverwendung für gemeinnützige Körperschaften bisher mit erheblichem Aufwand verbunden. Er erfordert eine sehr aufwendige, genaue Herleitung der Verwendung erhaltener Mittel mithilfe einer Mittelverwendungsrechnung und die damit einhergehende Dokumentation der unterschiedlichen Rücklagenarten i. S. v. § 62 AO. Bei Abschaffung der Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung könnten die Körperschaften zudem deutlich flexibler über die kurz-, mittel- und langfristige Verwendung ihrer Mittel entscheiden.
Auf der anderen Seite wird damit die Verantwortung für eine hinreichend zeitnahe Verwendung der gemeinnützigen Körperschaft allein zugeordnet. Aber ab wann besteht das Risiko, dass Mittelthesaurierungen als unzulässiger „Extremfall“ angesehen werden? Wie wird die hinreichend gegenwartsnahe Verwendung dann von den Einrichtungen nachgehalten? Wie kann eine stichhaltige Dokumentation auch nach drei, vier Jahren bis zur nächsten Betriebsprüfung aussehen? Insoweit mögen Kontrollpflichten der Finanzverwaltung und die Pflicht der Körperschaften zur Einreichung der Mittelverwendungsrechnung als Teil der Steuererklärung entfallen. Gleichwohl werden sich gemeinnützige Körperschaften Gedanken machen müssen, wie sie ihre Mittelverwendungspraxis rechtssicher dokumentieren und – solange keine Richtlinien der Finanzverwaltung dazu vorliegen – dazu gegebenenfalls auf die Mittelverwendungsrechnungen nach altem Muster und die daraus abgeleitete Rücklagendarstellung zurückgreifen.
Eine Mittelverwendungsrechnung sollte grundsätzlich weiterhin erstellt werden.
Nicht unbeachtlich ist auch die Außenwirkung des Wegfalls des Gebots zur zeitnahen Mittelverwendung. Dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung kommt erhebliche Bedeutung im Hinblick auf das Vertrauen der Öffentlichkeit in den gemeinnützigen Sektor zu. Viele gemeinnützige Träger sind auf Zuwendungen angewiesen, daher bleibt erst einmal offen, wie Transparenz und Vertrauensschutz gegenüber Spendern und Zuwendungsgebern weiterhin sichergestellt werden sollen, wenn nicht mehr dargestellt werden muss, wann und wie diese Mittel verwendet werden müssen, und demzufolge keine Kontrolle durch die Finanzverwaltung mehr erfolgt.
Die Prüfung der Finanzverwaltung unter Zuhilfenahme des gemeinnützigkeitsrechtlichen Ausschließlichkeitsgebots (§ 56 AO) auf „Extremfälle“ zu beschränken, in denen Mittel angespart und nicht nachhaltig für satzungsgemäße Zwecke verwendet werden, erscheint gleichermaßen mit Unsicherheiten behaftet. Offen ist zunächst, was der Gesetzgeber unter einem solchen Extremfall versteht. Deutlich wird nur, dass die Finanzbehörde eine langfristige Mittelthesaurierung beanstanden könnte, allerdings nicht in welchem Umfang. Letztlich wird dies durch Verwaltungsvorschriften und die Rechtsprechung konkretisiert werden müssen, was zu einem längeren Zeitraum mit erheblichen Rechtsunsicherheiten führen würde. Dies impliziert zudem erneuten Prüfungs- und Verwaltungsaufwand für die Finanzbehörde, der eigentlich im Sinne des neuen Entwurfs reduziert werden sollte.
Ob Bürokratie mit diesem Vorhaben tatsächlich abgebaut wird, bleibt fraglich.
Fazit
Die Abschaffung des Gebots zur zeitnahen Mittelverwendung wäre ein radikaler Schritt. Es bleibt abzuwarten, ob die geplanten Änderungen zum 1. Januar 2025 tatsächlich in Kraft treten. Insbesondere im Hinblick auf die im Falle einer Abschaffung zu erwartenden Rechtsunsicherheiten besteht noch erheblicher Nachbesserungsbedarf, um eine Verschiebung des Bürokratieaufwands zu vermeiden und letztlich eine Vereinfachung mit Rechtssicherheit zugunsten aller Beteiligten zu gewährleisten. Aus diesem Grund bleibt zu hoffen, dass der Diskurs zu diesem im Grundgedanken durchaus positiven Gesetzesentwurf noch nicht abgeschlossen ist.
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