Bauindustrie im Fokus
Bauindustrie im Digital- und ESG-Dilemma - Bürokratie und Fachkräftemangel als Wachstumsbremsen
Die deutsche Bauindustrie steckt in einer Innovationskrise und verfehlt den digitalen Anschluss. PwC hat 100 Bauunternehmen und Planungsbüros befragt und die Ergebnisse sind alarmierend: Die Branche zweifelt an ihren digitalen Fähigkeiten und fühlt sich in einigen Technologiebereichen zunehmend abgehängt. Der Fachkräftemangel und das fehlende digitale Know-how erweisen sich dabei als erhebliche Entwicklungsblockaden. 93 % der Befragten fordern zudem einen drastischen Abbau bürokratischer Hürden und den Ausbau der digitalen Infrastruktur. Die schleppende Umsetzung von ESG-Vorgaben wird ebenfalls der politischen Trägheit zugeschrieben – ein aufrüttelndes Zeugnis des Stillstands in einer Zeit, die nach Flexibilität verlangt. Rebekka Berbner, Partnerin bei PwC im Bereich Capital Projects & Infrastructure, erläutert: “Nach dem Teil-Kollaps der Lieferketten und dem Zinsschock folgen nun die Auswirkungen der schwachen konjunkturellen Entwicklung.“ Sie appelliert an die Unternehmen: „Der Bau muss die Zügel selbst in die Hand nehmen und entschlossen in ihre digitale und nachhaltige Transformation investieren.“
Sorgen der Branche: Umsatzeinbußen und zunehmender Kostendruck zwingen zum Umdenken
Die Branche leidet unter Umsatzeinbußen und Projektausfällen. Während sich die Lieferkettenproblematik für die Mehrheit der Befragten inzwischen entschärft hat, kämpft die Branche immer mehr mit Umsatzeinbrüchen und Projektausfällen. Insgesamt 69 % der Unternehmen müssen mit Umsatzeinbußen und Projektverschiebungen leben (Vorjahr: 63 %). Zudem ist eine Lösung des Fachkräftemangels als eines der zentralen Probleme der Branche nicht in Sicht: Fehlendes Personal wird als konstante Belastung wahrgenommen. 8 von 10 Befragten geben an, dass der Fachkräftemangel eines der wesentlichen Herausforderungen darstelle. Nur der zunehmende Kostendruck fordert noch mehr Unternehmen heraus.
Als Folge sieht sich die Branche gezwungen ihre Geschäftsmodelle und Organisationstrukturen in Frage zu stellen. So geben 60 % der Befragten an, dass sie eine Neuausrichtung des Unternehmens für notwendig halten, 70 % der Befragten sehen sich gezwungen die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle voranzutreiben.
Digitaler Aufbruch in der Bauindustrie nicht in Sicht: Kluft zwischen Potenzial und Kompetenz wird immer größer
Hierbei könnte die digitale Transformation ein wesentlicher Baustein sein. 80 % der Befragten sehen großes Potenzial in Simulation, Visualisierung und Cloud-Technologien. Trotz dieser optimistischen Einschätzung bleibt die Bewertung der eigenen digitalen Fähigkeiten ernüchternd. In einigen Technologiefeldern öffnet sich die Schere zwischen Potenzial und Kompetenz sogar immer mehr, wie der Jahresvergleich zeigt. Besonders deutlich wird dieses Auseinanderdriften bei IoT-Lösungen auf der Baustelle. Auch bei BIM (Building Information Modeling) gibt es wenig Fortschritte. In den vergangenen Jahren hat diese Technologie weder eine Steigerung in ihrem Mehrwert erfahren, noch konnten die Unternehmen ihre Kompetenzen ausbauen. „Die Branche agiert zu träge und nutzt ihre Möglichkeiten nicht“, kritisiert Christian Elsholz, Partner im Bereich Capital Projects & Infrastructure bei PwC. „Das verhindert die dringend notwendige Steigerung der Produktivität.“ KI-basierten Technologien gelten dahingegen als neuer Hoffnungsträger: 66 % der Befragten trauen der Technologie großes Potenzial zu (Vorjahr: 18 %).
Der Fachkräftemangel und das fehlende digitale Know-how sind zentrale Herausforderungen für die Digitalisierung der Bauindustrie. 83 % der Befragten bemängeln zudem, dass digitale Lösungen in Vergabeverfahren nicht ausreichend berücksichtigt werden, während 93 % für einen Abbau bürokratischer Hürden (z.B. analoge Genehmigungsverfahren) plädieren.
ESG-Umsetzung stockt aufgrund fehlender Rahmenbedingungen
Die Bauindustrie steht vor einer weiteren entscheidenden Herausforderung: der Umsetzung von ESG-Zielen. Die vorliegende Studie zeigt zwar, dass 75% der befragten Unternehmen mittlerweile ESG-Ziele definiert haben. Jedoch wird der Fortschritt vor allem durch externe Vorgaben und den Druck von Auftraggebern angetrieben. Einsparpotenziale bei den Kosten sehen lediglich ein Drittel der Befragten als wichtigen Treiber, und nur ein Viertel bezieht die Erfüllung von ESG-Vorgaben in die Vergütung ihrer Mitarbeitenden ein. Auch in diesem Kontext ist ein zentrales Hindernis für die Umsetzung das fehlende Know-how, da klare politische Ziele und stabile regulatorische Rahmenbedingungen fehlen, die den Unternehmen die notwendige Sicherheit geben.
Das Beispiel des CSRD-Reportings (Corporate Sustainability Reporting Directive) verdeutlicht die Problematik: Ein Drittel der Studienteilnehmer bemängelt das Fehlen entsprechender Vorgaben. Nach dem Ende der Ampel-Koalition verschiebt sich die Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes auf unbestimmte Zeit. „Für die Unternehmen ist das fatal. Denn für viele von ihnen wird die Einführung dieses Reportings dennoch irgendwann verpflichtend. Die nicht oder zu spät umgesetzten politischen Vorgaben erhöhen die Unsicherheit und vermindern die Akzeptanz“, warnt Dr. Martin Nicklis, Director im Bereich Wirtschaftsprüfung bei PwC.
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